Various Artists – You’re No Big Deal – Grunge, The US Underground and Beyond 1984-1994
Braucht es eine CD-Compilation über Grunge und amerikanische Underground Musik zwischen 1984 und 1994? Rational gesehen sicherlich nicht. Mit Blick auf die Shit-Show, die gerade in Amerika abläuft, wünschte man sich aber eine starke musikalische Bewegung, die sich erneut gegen das Establishment stellt.
Grunge ist in der Mainstream-Nachbetrachtung Bands wie Nirvana, Pearl Jam und Soundgarden, die Millionen von Platten verkauft haben. Oder auch Trittbrettfahrer wie Creed, die Jahre später zwar den einen oder anderen brauchbaren Song veröffentlichten, mit der Attitüde der Grunge-Bewegung absolut gar nichts zu tun hatten.
Cherry Red Records hat sich nun den Jahren 1984-1994 angenommen. Dem musikalisch vielleicht wichtigsten Jahrzehnt der amerikanischen Subkultur. „You’re No Big Deal – Grunge, The US Underground and Beyond 1984-1994“ wurde dabei von Mark Arm (Mudhoney) zusammengestellt. Und ganz ehrlich, wer, wenn nicht er, hat einen Überblick über die Bands, die für die Szene wichtig waren?
In den späten 1980er-Jahren, als Pop, Rap und Glam Metal die amerikanischen Radiowellen dominierten, suchten Underground-Musiker*innen nach einem Gegenmittel. Mitte des Jahrzehnts tauchten von Seattle im Westen bis New York im Osten Bands auf, die sich einem weniger ausgefeilten, rohen und kraftvolleren Sound verschrieben hatten und die die Attitüde von Punkbands mit bedeutungsvollen, oft desillusionierten Texten und jeder Menge Verzerrung verbanden, um etwas Neues zu schaffen. Der Begriff „Grunge” setzte sich schnell durch, umfasste Bands aus allen Teilen der Vereinigten Staaten – auch wenn Seattle mit Sub Pop Records sicherlich die wichtigste Stadt in Bezug auf Grunge war – und wurde zu einem sozialen Phänomen, das unzählige andere Underground- und College-Bands in seinen Bann zog. Über Nacht war der Macho-Rock tot.
Mark Arm versucht die 80 Songs umfassende Zusammenstellung grob chronologisch zu sortieren. Beginnend mit Green River, der omnipräsenten Vorgängerband von Pearl Jam, in der Arm selbst spielte. Es folgen mit Redd Kross und den Meat Puppets zwei Bands, die den ganz großen Sprung nie schafften, aber eben doch zu den ganz wichtigen Wegbereitern gehören.
Danach geben sich fast alle wichtigen Vertreter der alternativen Szene die Klinke in die Hand. Pixies, Husker Du, The Replacements, Mudhoney, Tad, Sonic Youth, L7… Die Liste kann hier noch weiter ergänzt werden. Das Tolle ist, dass nicht die großen Songs der Bands gefeatured werden, sondern zum Teil auch unbekanntere Stücke, was den Wert der Compilation um einiges erhöht, da man so die Wucht und die Dringlichkeit noch mehr spüren kann.
Außerdem sind auch kleine Perlen versteckt, die man nur kennt, wenn man sich intensiver mit dem Genre auseinandergesetzt hat. Oder habt Ihr schon mal „Lost“ vom ersten Eric´s Trip-Tape oder „Inside“ von Seaweed gehört? Diversität spielte in der Szene immer eine große Rolle. Nicht nur Kurt Cobain war bekennender Feminist. Und so sind mit The Breeders, Veruca Salt, The Gits und Babes In Toyland (um nur einige zu nennen) auch viele female fronted Bands dabei. Man vergisst immer, dass die Riot Grrrl-Bewegung gar nicht mal so klein war.
„You’re No Big Deal“ erkundet eine entscheidende Periode in der amerikanischen Musikgeschichte nach Punk und der Wiedergeburt der Rockmusik (die uns Bands wie Guns ´n Roses bescherte). Mit den Randnotizen von Mark Arm ist dies ein praxisnaher, weitreichender Einblick in eine Zeit und einen Ort, an dem die unwahrscheinlichsten Anti-Rockstars neu definierten, was amerikanische Gitarrenmusik sein kann.
Für mich eine der wichtigsten und prägendsten Musikrichtungen überhaupt, umso dringlicher sei musikinteressierten Leser*innen diese Zusammenstellung ans Herz gelegt.
Band: Various Artists
Album: You’re No Big Deal – Grunge, The US Underground and Beyond 1984-1994
VÖ: 26.09.2025
Label: Cherry Red Records