The Damned – OM, Seraing (Belgien 29.11.2024)

Die Londoner Punk-Institution der ersten Stunde The Damned feiert im zur Provinz Lüttich gehörenden Seraing gemeinsam mit entzückten Fans aus Belgien, Holland, Frankreich, dem UK und Deutschland ein knappes halbes Jahrhundert Bandgeschichte. Die Briten entsprangen 1976 der Auflösung der Punkrocker London SS, die zur Gründung gleich dreier stilprägender Music Groups führte: The Clash, Chelsea und eben The Damned.

Es ist ein dunkler, bitterkalter Spätnovember-Abend – passend zur vorherrschenden Szenerie rund um die Konzertstätte OM, die mitten in einem historischen Stahlfertigungs-Industriegebiet direkt am Ufer der Maas liegt. Und ihr großer, nach eigenem Bekunden bis zu 1.500 Menschen fassender Saal, der heute grob geschätzt zu rund zwei Dritteln gefüllt ist, wirkt architektonisch ähnlich kühl.

Rat Scabies

Classic-Lineup
Was sich Punkt 21.10 Uhr dann zumindest atmosphärisch schlagartig ändert, als Frontmann Dave Vanian, Gitarrist Captain Sensible, Schlagzeuger Christopher Millar aka Rat Scabies und Bassist Paul Gray mit fast schon jugendlichem Elan unter tosendem Jubel die baulich extrem hohe Stage entern.

Die drei Erstgenannten sind The-Damned-Gründungsmitglieder, Bassist Gray Longtime-Bandmember und in diesem Classic-Lineup sind sie bis zur laufenden Tournee seit 1989 nicht mehr aufgetreten. Komplettiert wird die aktuelle Damned-Formation von Keyboarder Monty Oxymoron, der den englischen Punk-Veteranen seit Mitte der Neunziger-Jahre angehört.

Paul Gray

Kurzweilige 100 Konzertminuten
In kurzweiligen knapp 100 Konzertminuten versprühen die Mittsechziger fortan mit schier unzähmbarer Energie ihre abwechslungsreiche musikalische Mixtur aus Punk, New Wave und Gothrock, die seit jeher durch eingängige Melodien besticht und von Sänger Dave Vanians nahezu greifbarer Bühnenpräsenz und angenehmer Bariton-Stimme getragen wird, die nichts von ihrem warmen Klang eingebüßt hat.

Vanians künstlerischer Vortrag hat dabei zeit seines Lebens zahlreiche Performer, wie etwa Depeche-Mode-Leadsänger Dave Gahan, nachhaltig inspiriert und geprägt – sowohl was seine Vorliebe für edle düstere Punk-Outfits als auch seine Performance als solche angeht.

Dave Vanian

Erstes britisches Punk-Album
Auf der insgesamt 21 Lieder umfassenden Setlist des Abends, für die die beiden legendären Longplayer „Machine Gun Etiquette (1979) und „The Black Album“ (1980) mit zwölf Tracks das Grundgerüst bilden, stehen unter anderen Hits und Klassiker wie „Ignite“, „Curtain Call“, „Dr. Jekyll And Mr. Hyde“, „Smash It Up“, „Eloise“, „Lively Arts“, „Beware Of The Clown“, „Life Goes On“ und natürlich „New Rose“. Letzteres seines Zeichens die erste von einer britischen Punk-Band veröffentlichte Studio-Single in Music History überhaupt, vom ebenfalls zuallererst releasten Studio-Album „Damned Damned Damned“ – beides erschienen auf dem legendären Indie-Label Stiff Records.

Aber auch Material der jüngeren Bandgeschichte wie etwa vom 2018er-Werk „Evil Spirits“ findet erfreulicherweise seinen Weg auf die am Bühnenboden festgeklebten Songzettel. Der Longplayer, von Tony Visconti (unter anderem David Bowie) produziert, stieß auch dank seines analogen Sounds auf wohlwollende Resonanz bei Fans und Musikkritikern. Ähnlich wie die bislang letzte Damned-Platte „Darkadelic“, die im vergangenen Jahr erschienen ist.

Captain Sensible

He said Captain, I said wot!
Dass sich The Damned immer auch eine gute Portion Humor zu eigen gemacht haben, beweist Gitarrist Captain Sensible (standesgemäß mit seinem modischen Markenzeichen Red Barett auf dem Kopf), als er zum Ende der Show unter frenetischem Gejohle der Fans mit dem gerappten Disco-Groover „Wot“ aus dem Jahr 1982 noch den größten Hit seiner Solokarriere als Song-Snippet einstreut. Seine eigene und die schöpferische Vielseitigkeit seiner Band, die mitunter gar in eine gewisse musikalische Unberechenbarkeit gipfelten, machten The Damned während ihrer gesamten Karriere übrigens nicht gerade zu erklärten Lieblingen der Plattenindustrie.

Als seine Bandmates und der Captain sich sichtlich erschöpft, aber augenscheinlich glücklich und zufrieden ein letztes Mal für heute vom Publikum verabschieden, gibt er ein paar alten Branchen-Weggefährten, die in diesem Jahr ebenfalls getourt sind, mit sympathisch-verschmitztem Grinsen noch einen augenzwinkernden Seitenhieb mit: „Ich bin mir nicht sicher, ob die Sex Pistols das auch nach wie vor noch so gut hinbekommen wie wir.“ Dem schließe ich mich nach diesem begeisternden Abend aus vollstem Herzen an. (Fotos: Sven Klein)