Muff Potter – Bahnhof Langendreer, Bochum (24.11.2023)

Nach dem verschobenen Bochumer Konzert der „Bei aller Liebe Appendix“-Tour finde ich mich an einem kalten und regnerischen Abend im Ruhrpott zu meinem dritten Muff Potter-Konzert ein. Ich gehöre nicht zu den Leuten, die mit der Band groß geworden sind. Vielmehr habe ich sie erst entdeckt, als sie selbst groß und als Band quasi nur sporadisch existent waren. Und so war „Bei aller Liebe“ der erste Muff Potter-Tonträger, den ich gespannt erwartet, und den ich sofort in mein Herz geschlossen habe.

Nach dem ersten Konzert der zum Album gehörenden Tour im Kölner Gloria sowie dem zweiten im Düsseldorfer Zakk war ich auch von den Live-Qualitäten der Band überzeugt. Ebenso von deren Auswahl der Support-Bands:

Hat mich im vergangenen Jahr Die Arbeit sofort in ihren Bann gezogen, durfte ich nun mit OIRO rauen Punk genießen, der für mich aus einer anderen Zeit zu stammen scheint, und für dieses Fenster in vergangene Punkzeiten bin ich sehr dankbar. Um ca. 21 Uhr betraten Muff Potter die Bühne und präsentierten mit dem Opener „Killer“ auch gleich einen Song, der mich sowohl auf Platte als auch live jedes Mal tief berührt, womit schon der erste von vielen emotionalen Böllern gezündet wurde.

Die Setlist wurde von Songs des aktuellen Longplayers dominiert, was mich persönlich sehr gefreut hat, da ich dieses Album gemeinsam mit „Steady Fremdkörper“ am besten kenne und auch durchweg und ohne Aussetzer sehr gut finde. Nachdem ich meine Arbeit als Konzertfotograf nach dem fünften Song – „Wenn dann das hier“ – beendet hatte, konnte ich das Konzert ohne die Kamerakilos genießen. Und schon wartete mit „Fotoautomat“ der nächste emotionale Hit auf mich, dem vermutlich von mir am meisten gehörte Muff Potter-Song – entweder von der Band selbst oder aus dem Mund meines dreijährigen Sohnes.

Nachdem einige Leute beim Publikumsspaziergang von Thorsten Nagelschmidt mit ihm die tätowierfähigen Zeilen „Und was von Menschen gemacht wurde, kann auch von Menschen wieder abgeschafft werden“ ins Mikro rufen durften, ging es für mich bei „Das seh ich erst, wenn ich’s glaube“ dann doch noch zum Pogen. Und dort erhascht man dann ein Fünkchen des Gefühls, wie es auf Konzerten gewesen sein muss, wenn man mit der Band aufgewachsen ist. Ich vermute jedoch, dass seinerzeit das Pogo-Pit noch größer war. Und diese imaginäre Nostalgie spürte ich als spät berufener Muff Potter-Fan auch beim letzten Song „Wir sitzen so vorm Molotow“, der sich ein wenig so anfühlte, als würde ein eingeschworener Freundeskreis über Zeiten reden, in denen der Neuling keinen dieser Freunde kannte.

Aber Zeiten kann man nicht zurückdrehen, aber dankbar sein, dass man auch im mittleren Lebensalter noch Bands kennenlernt, die einen hoffentlich auch zukünftig mit Auftritten und Alben noch so bereichern wie Muff Potter.

(Text & Fotos: Jens Meyer)