Jule – Im Regio weinen
„Aufstehen fällt mir schwer, essen genauso. Und rausgehen macht mir Angst. Ja, vielleicht bleibt es so. Wenn jemand mit mir redet, fang ich an zu schwitzen, bekomme Herzrasen von in der Bahn sitzen … Ich habe Angst … vor allem.“ (aus: „Ich bekomme keine Luft“)
Die Welt ist gerade wirklich kein schöner Ort. Und ich kann jede(n) verstehen, der momentan mit Angstzuständen und Depressionen zu kämpfen hat. Die vergangenen Jahre haben einfach Kraft gekostet, auch wenn die Gründe subjektiv betrachtet sicherlich ganz unterschiedlich sein werden. Aber wie sang mein lieber Freund Jörkk Mechenbier? „Die Teenage-Angst verschwindet nicht, nur die Kraft sie zu ertragen.“ Und so sitzen die 20-jährigen und die, die deren Eltern sein könnten, zusammen in der Bar und strugglen gleichermaßen.
Die Hamburgerin Jule veröffentlicht mit „Im Regio weinen“ eine 20-minütige EP, auf der sie sich authentisch und offen den Frust, die Sorge, die Sehnsucht und auch ein bisschen Wut von der Seele singt. Dabei ist sie so ehrlich, dass es stellenweise fast schon weh tut. Im Mittelpunkt steht dabei das selbst reflektierende „Ich bekomme keine Luft“, das gleichermaßen beängstigend, wie beeindruckend ist.
Musikalisch ist das alles hingegen etwas weniger beeindruckend, was natürlich auch an der auf Gitarre und Gesang beschränkten Darbietung liegt. Der Opener „Alles wie immer“ besticht aber durch eine wirklich coole angezerrte Gitarre samt toller Melodie. Das bereits erwähnte „Ich bekomme keine Luft“ ist mit einem warmen Picking unterlegt, dass dem Text jede Sekunde lang gerecht wird. Man möchte es fast schon ergreifend nennen. Das schrammelige „Ganz leicht“ ist hingegen etwas arg geschrammelt geraten. Die fast schon gerappten Lyrics passen jedoch perfekt darüber, was die Nummer nach mehrmaligem Hören schon wieder ziemlich cool werden lässt.
Das Album entstand übrigens mithilfe von Tilmann Gottfried (Tigeryouth), dessen Handschrift man sich gerade bei den schnelleren Songs ganz gut vorstellen könnte. Die DIY-Attitüde von Jule passt darüber hinaus perfekt zum Gesamtkontext. Ganz ehrlich, ich lieb es und hoffe sehr, dass es Jule gerade gut geht und sie sich über ihr tolles Debüt freuen kann.
Künstlerin: Jule
Album: Im Regio weinen
Label: Zeitstrafe
VÖ: 12.07.2024