Beach Motel van Cleef-Festival, Sankt Peter-Ording (13.01.2024)
Der zweite Tag des großartigen Beach Motel van Cleef-Festivals beginnt mit einem formidablen Kater und einem ausgiebigen Spaziergang am Strand von Sankt Peter-Ording. Dort trifft man auch einen Großteil der Besucher*innen, denn tatsächlich kommt Nachmittags für ein Stündchen die Sonne raus.
Nachdem Grillmaster Flash sein kommendes (Metal-) Album in einem „Listening“ vorstellen durfte, geht es pünktlich um 19 Uhr mit Herrenmagazin los. Ich hab über die vergangenen Jahre ein wenig vergessen, wie toll diese Band ist und wie viele Hits die Hamburger im Petto haben. Mit „In den dunkelsten Stunden“ loszulegen, muss man sich auch erstmal leisten können. Für mich einer der besten deutschsprachigen Songs überhaupt. Aber auch „Alle sind so“ und „Lnbrg“ werden vom begeisterten Publikum lauthals mitgesungen. Dazu der tolle Sound, mehr kann man sich eigentlich gar nicht wünschen.
Danach habe ich leider zwei Bands verpasst. Low Key Orchestra fiel dem Abendessen zum Opfer, Nichtseattle meinem schlechten Zeitmanagement und einem Tischtennis-Match gegen die Schweizer Annie Taylor. Gerade Nichtseattle hätte ich gerne gesehen, da ich ihr Album „Kommunistenlibido“ ziemlich toll finde. Doof.
Tja, und dann waren da noch Snake Eyes aus Brighton. Die sich selbst irgendwo zwischen Grunge und Brit-Pop verorten und das ganze Grit-Pop nennen. Alter Schwede, was für ein unfassbares Brett. Ich habe lange nicht mehr solch eine Power gehört, die nur durch eine Gitarre kreiert wurde. Dazu noch eine äußerst agile Bassistin und ein unfassbar sympathischer Drummer, die gemeinsam ein mehr als stabiles Rhythmusgerüst dazu bauen. Meine Fresse. Hört Euch mal „Skeleton“ auf dem Streaming-Dienst Eurer Wahl an. Hammer.
Danach Matze Rossi. Ich mag ihn ja unglaublich gerne. Und auch musikalisch kann der Gute überzeugen. Gegen Ende seines Sets covert er Danger Dans „Das ist alles von der Kunstfreiheit gedeckt“ und fügt dem Song noch eine eigene Strophe hinzu, in der er auf die Missstände in seiner Heimatregion hinweist. Insgesamt ein weiterer ganz wunderbarer Auftritt von ihm. Am Ende merkt man aber, dass sich im hinteren Drittel die Reihen etwas lichten, schließlich spielen Kettcar im Anschluss. Und da will man sich natürlich die guten Plätze sichern.
Kettcar liebe ich seit ihrem Debütalbum „Du und wie viel von deinen Freunde“ (2002). Mich hat selten ein Album derart emotional abgeholt. Diese Band in so einem intimen Rahmen zu sehen, ist eigentlich schon die Anreise wert. Kettcar spielen sich durch ein 90-minütiges Best of-Set, dass eigentlich keine Wünsche übrig lässt. Das Publikum singt ausgelassen mit. „Landungsbrücken raus“, „Deiche“, „Balu“ oder auch der Wiebusch-Track „Der Tag wird kommen“ sind und bleiben halt Hits. Dazu die charmanten Ansagen von Bassist Reimer, die für den ein oder anderen Lacher sorgen – fertig ist der perfekte Abschluss eines unfassbar schönen Festivals und steigert die Vorfreude auf die kommende Single „München“ und das im April 2024 erscheinende neue Album.
Danach bittet Christiane Falk noch zum Tanz. Ich verabschiede mich schweren Herzens um 2 Uhr aus dem Beach Motel und spaziere in einer stürmischen aber sternenklarer Nacht zu meinem Schlafplatz zurück. Zwei Tage ohne AFD, ohne Wut, ohne Intoleranz und Ignoranz. Das alles geht in diesem kleinen Rahmen und man fragt sich, warum das nicht auch Gesamtgesellschaftlich funktioniert? Umso wichtiger ist es aber, dass ein Label wie Grand Hotel van Cleef und eigentlich alle anderen Beteiligten (Bands, Mitveranstalter, Promoter*innen, Techniker*innen u.a.) auf diesem Festival dieses so wichtige Fähnchen hochhalten. So können die von dem ganzen Hass müde gewordenen Mit-40er kurz mal Luft holen. Danke, das habe ich wirklich mal wieder gebraucht.