Wir schreiben das Jahr 1995, und ich sitze – wie eigentlich jeden Sonntagabend – vor der MTV-Sendung „120 Minutes“. Für mich ist sie zu Beginn der 1990er-Jahre wahrscheinlich das wichtigste Medium für neue Musik.

An besagtem Sonntag – irgendwann vor 30 Jahren – läuft die Premiere eines neuen Musikvideos. Die Band heißt Belly und ist mir gänzlich unbekannt. Aber ich verliebe mich bereits nach 20 Sekunden: zum einen in die Sängerin Tanya Donelly, die in diesem Moment ins Bild kommt, zum anderen in den Song. „Now They’ll Sleep“ heißt dieses kleine Meisterwerk, das musikhistorisch keine großen Wellen schlagen wird. Für mich jedoch wird es in den folgenden Jahrzehnten zu einem treuen Begleiter und einem immer wieder für Mixtapes genutzten Song – ist es doch einer der besten Indie-Songs aller Zeiten.

Dass Donelly zuvor schon bei den Breeders (allerdings vor deren großem Durchbruch mit „Last Splash“) und mit Kristin Hersh bei den Throwing Muses gespielt hatte, wusste ich damals natürlich noch nicht. Das musste ich mir in den kommenden Jahren mühsam anlesen, war die Band hierzulande doch recht unbekannt. Was ich aber wusste: Ich wollte alles von dieser Band haben. Und so kaufte ich mir kurze Zeit später das Debütalbum „Star“, das stärker von Shoegaze-Einflüssen geprägt war, sowie das damals aktuelle Album „King“ mit der besagten Single „Now They’ll Sleep“.

„King“ ist vor Kurzem in einer von Kevin Vanbergen neu gemasterten 30th Anniversary-Version erschienen. Dabei fällt auf, wie frisch die Songs auch nach drei Jahrzehnten noch klingen. Während einige der großen 1990er-Alben mit den Jahren an Charme verloren haben, wirken Stücke wie „King“, „Seal My Fate“ oder das wahnsinnig poppige „Super-Connected“ erstaunlich gut gealtert.

Im Vergleich zu ihrem Debütalbum, das sich 800.000 Mal verkaufte, war die Band – allen voran Sängerin Tanya Donelly – von den Verkaufszahlen des zweiten Albums wahnsinnig enttäuscht. Also lösten sich Belly knapp ein Jahr nach der Veröffentlichung von „King“ auf. Während Donelly eine recht ordentliche Solo-Karriere hinlegte, spielten die restlichen Bandmitglieder in Bands wie L7 oder Buffalo Tom. Seit 2016 spielt die Band zwar wieder Konzerte und veröffentlicht neue, zeitlose Songs, an die Erfolge oder die Relevanz ihrer Anfangszeit können die vier Musiker*innen jedoch nicht mehr anknüpfen.

Band: Belly
Album: King (30th Anniversary)
VÖ: 24.10.2025
Label: Beggars / 4AD