Legss – Unreal

Süd-Londons Indie-Artrocker Legss veröffentlichen mit „Unreal“ ihre selbstverlegte Debüt-LP. Und verewigen auf dem vor Kraft strotzenden Longplayer dreizehn ehrliche, poesiehafte, mitunter unorthodoxe und beunruhigende Songs, die zu Herzen gehen. Zum Heulen schön!

Aufgenommen in den Chale Abbey Studios auf der britischen Isle Of Wight, ist es dem sympathischen Indie-Quartett dabei gelungen, ihre geradezu magische Live-Energie auf Schallplatte zu bannen. Bereits für unsere Crazewire-Printausgabe #3 hatte ich das Vergnügen, die großartigen Demoversionen der Albumtracks zu hören – diese haben nun auf den Mastertapes von „Unreal“ ihren künstlerischen Feinschliff erhalten, um in ihrer ganzen Schönheit zu erstrahlen.

Kapriziöser, melodischer Sound
Legss‘ eingängige Melodien sind eingebettet in ihren kapriziösen Bandsound, der musikalisch stets mehrdimensional, in jedem Track kaum vorhersehbar ist und teils düstere Klangexpositionen bereithält. Bei denen die Drums von Louis Grace unheilvoll donnern, Jake Martins pulsierendes Bassspiel für tiefe Erschütterungen sorgt und Max Oliver mit seinen brennenden Gitarrenlicks dem ganzen Gebilde eine rotzige Punk-Attitüde verleiht. „Die Wahrheit ist: Vermutlich haben wir früher unsere Instrumente allesamt ein bisschen zu schlecht beherrscht“, amüsiert sich Legss-Frontmann Ned Green. „Gut, dass wir unseren Sound weiterentwickelt haben.“

Auf insgesamt dreizehn Liedern ist die bemerkenswerte Vielschichtigkeit Legss‘ nachzuhören und -empfinden, zu der auch Greens Gesang zählt. Sein lyrischer Vortrag samt fiktionalen Charakteren und Theater-Elementen fühlt sich so an, als würde er allein für den Zuhörenden selbst dargeboten und man lausche jemandem, der seine persönlichen Gedanken aus dem Tagebuch vorliest – oder gelegentlich auch schreit.


Legss by Alex Wylie

„Fühlt sich unwirklich an“
Anspieltipps sind die energiegeladene, explosive erste Vorab-Single „Gloss“, das zärtliche „See No Evil“, das krachende „Forgot To Answer“ nebst Saxophon-Parts, das von verträumtem Gitarrenspiel getragene „Nothing Would Make Me Happier“, die zuckersüße Ballade „When Will I See You Again“ mit ihren gehauchten Lyrics, das brachial-wütende „909“ samt schneidenden Gitarrenriffs und last but not least der melancholische, von Piano, Violine und Cello begleitete Album-Standout-Track „Eversince“, der das Zeug zum Indie-Klassiker hat. „Fugue“, der LP-Instrumental-Closer, überrascht die Zuhörerschaft gar mit wunderschönen Harmonium-Klängen.

„Es fühlt sich nach wie vor alles unwirklich an“, ließ mich Sänger Ned in unserem Gespräch damals mit Blick auf das bevorstehende Einspielen der Debütalbum-Tracks an seiner Gefühlswelt teilhaben – und dass die Platte noch keinen Namen trüge. Nun, vielleicht waren genau das die Empfindungen, die der LP schlussendlich zu ihrem Titel „Unreal“ verholfen haben. Bis zu ihrem Longplayer, der gemeinsam von Legss-Schlagzeuger Louis Grace und Balázs Altsach Co-produziert wurde, hatte die Indieband bis dato eine Handvoll Singles und EPs released: „Writhing Comedy“ aus dem Jahr 2019, „Doomswayers“ (2020) sowie „Fester“ (2023).

South-London-Connection
Fürs Album-Artwork von „Unreal“ sind einmal mehr die ebenfalls aus Süd-London stammenden Filmemacher und Fotografen The Reids hauptverantwortlich. Das Kreativ-Brüderpaar begleitet Legss seit Bandgründung im Jahr 2018 und sorgt seitdem verlässlich für das passende Erscheinungsbild. „Wir haben Will und Ed recht früh kennengelernt, noch bevor unsere EP ‚Doomswayers‘ herauskam und wurden alle sehr schnell gute Freunde“, berichtet Ned Green. „Sie haben unsere Musik und erzählerischen Welten, die wir zu erschaffen versuchen, auf Anhieb verstanden und uns dabei geholfen, sie auch optisch zu realisieren.“

Apropos realisieren: Bleibt zu hoffen, dass Legss es im Rahmen der Promo zum neuen Longplayer über die bevorstehende UK-Tournee hinaus auch für ein paar Gigs aufs europäische Festland schaffen, um uns ihre umwerfenden Songs live vorzustellen – falls ja: Ich bin dabei, um für Crazewire zu berichten!

Band: Legss
Album: Unreal
VÖ: 12.09.2025
Label: Non-Label / The state51 Conspiracy