Zu alt für´s Bravo-Cover – Interview mit Love A
Am 27. März 2015 erschien das sensationelle dritte Album „Jagd und Hund“ der Indie-Punker Love A. Im Rahmen ihrer CD-Release-Party trafen wir Band (Jörkk, Dommes und Karl) und Label (Jürgen von Rookie Records) zum Gespräch über Erfolgsdruck, Marketing und rechte Idioten, die versuchen Texte deutscher Punk-Bands zu instrumentalisieren.
Crazewire: Ihr hattet nach dem für Indie-Verhältnisse doch recht ordentlichen Erfolg Angebote von größeren Plattenfirmen für Euer kommendes Album „Jagd und Hund“. Haben diese Anfragen Auswirkungen auf das Songwriting bzw. unterschwellig Druck ausgeübt, dass das neue Album so richtig gut werden muss?
Dommes: Der Begriff „Angebote“ passt nicht so wirklich. Wir haben einmal Vis à Vis mit Angestellten einer großen Plattenfirma gesprochen und 1-2 Mal mit Menschen eines anderen Labels telefoniert. Da gab es bis zum Hören unser Demos für „Jagd und Hund“ wohl mal sowas wie Interesse an uns, was sich aber dann nach dem Anhören unserer Liedskizzen relativ schnell wieder in Luft aufgelöst hat. Wir hatten uns zumindest einmal anhören wollen, was die Musikindustrie von einer kleinen Band wie uns möchte bzw. über uns denkt. Das war interessant und auch irgendwie schmeichelhaft, hatte aber auf unser Songwriting oder den Entstehungsprozess des Albums keine wirklichen Auswirkungen – abgesehen davon, dass wir relativ früh im Prozess des Liederschreibens Demos produziert haben, was wir sonst wahrscheinlich eher zu einem späteren Zeitpunkt getan hätten .
Karl: Wobei man dazu sagen muss, dass wir uns mit den Demos nicht besonders viel Mühe gegeben haben, das waren ziemlich rumpelige Proberaumaufnahmen.
Jörkk: Zunächst empfand ich das als schönes „Schulterklopfen“ der Industrie – bis mir eingefallen ist, dass man auf deren Anerkennung pfeifen kann – und auch sollte – da es eben nur die Industrie ist. Eine Erwähnung im Feuilleton ist mir tausend Mal lieber, als drei halbgare Angebote eines Major-Labels. Bei den Demoaufnahmen kam ich dann auch völlig zertrümmert im Studio an und auch die Aufnahmen waren recht rudimentär. Ich denke, die haben sich ein bisschen verarscht gefühlt. Zumindest mag ich die Vorstellung, dass es so war…
Crazewire: Was war am Ende ausschlaggebend dafür, doch bei einem vergleichsweise kleinerem Indie wie Rookie Records zu bleiben?
Dommes: Jürgen hatte eine Option auf die dritte Platte! Spaß beiseite: Jürgen und Anne machen eine tolle Arbeit mit ihrem Label und sind äußerst sympathische und integre Leute. Letztlich haben sie mit ihrem Engagement und ihrer Expertise großen Anteil am „Erfolg“ der Vorgängeralben und darüber hinaus ist eben wichtig, dass wir uns mögen und auch mal zusammen ein Bier trinken können oder zu ungünstigen Zeitpunkten mit strunzdoofen Anrufen oder SMS belästigen dürfen. Wir sind sehr froh, Teil der Rookie-Familie zu sein.
Jörkk: Das „Business“ hat sich sehr verändert in den vergangenen Jahren. Gut aufgestellte „Indies“ wie Rookie Records (eigener Verlag, Vertrieb durch Cargo-Records, „Hausmailorder“ Flight13, Inhouse-Promotion, eigenes Booking etc.) haben, bis auf einige, wenige Einschränkungen, genau die gleichen Möglichkeiten, wie die Major-Labels. Lediglich die Kohle für Vorschüsse oder Breiten-Promo wie Bauzaunplakatierungen und Après-Ski Promotion fehlt oft, oder sitzt nicht so locker wie bei den Konzernen. Aber auch diese Zeiten sind weitestgehend vorbei. Und dieses „Familie“-Ding, das fühlt sich als Band, die mit „Szene und D.I.Y.“ groß geworden ist dann doch einfach besser an, als eine Katalognummer bei einem gesichtslosen Konzern zu sein. Wobei ich zugeben muss, dass natürlich auch Major-Labels zum Teil solche Partnerschaften anstreben, um sich ihrerseits Vorteile der Indie-Strukturen und Herangehensweisen zunutze zu machen.
Crazewire: Jürgen, Du begleitest die Band im Prinzip von Anfang an. Vinyl, CD, digitale Downloads. Dazu Marketing-Maßnahmen, damit Du als Label auch von den Verkäufen profitieren kannst. Wie kann man sich Diskussionen über all die Themen zwischen Label und integrer (Punk-)Band vorstellen?
Jürgen: Man muss sich im Vorfeld halt besprechen. Was will man als Band und Label erreichen. Ich habe 2006 die Entscheidung getroffen, von Label und Verlag leben zu wollen. Daraus ergeben sich gewisse, systembedingte Zwänge. Nur wenn sich diesbzgl. ein gewisser Konsens ergibt, macht die Zusammenarbeit auch Sinn. Einige Bands (hinter)fragen mehr als andere und werden dann auch automatisch anders eingebunden. Love A sind sehr interessiert an „Außendarstellung“ und alles was Promotion betrifft. Dies hat auch mit den Mitgliedern selbst zu tun, die teils in artverwandten Branchen ihr Brot verdienen. Es gibt generell viel zu bereden und diskutieren, wenn das gemeinsame Projekt gut laufen soll. Das tun wir dann auch gerne.
Jörkk: Wir reden oft und viel und vor allem sehr offen über alles mit den Rookies und ich finde das gut, dass du das fragst – denn wo wir gerade darüber sprechen bemerke ich erst, dass das sehr dabei hilft, sich auf einen für alle Seiten erträglichen Mittelweg zu einigen. Jürgen muss zwar Geld verdienen, handelt aber (auch durch seinen Background bedingt) immer noch so, dass man spürt, dass er sich der „guten Sache“ stets verpflichtet fühlt – und wir legen durch diese offene Diskussion oft die Scheuklappen ab, wenn sich beim genauerem Betrachten irgendwelcher Promo-Maßnahmen beispielsweise herausstellt, dass das gar nichts schlimmes, oder ketzerisch uncooles ist und wir dem fortkommen von Label und somit auch der Band nicht durch dogmatische Herangehensweise im Wege stehen.
Crazewire: Wo sind denn die größten Probleme als Indie-Label eine Band wie Love A zu vermarkten?
Jürgen: Für manche mag Love A „Pop“ sein, aber wir bewegen uns aber weiterhin in einer musikalischen Nische. Entsprechend ist und bleibt der Schritt da raus, nenn es von mir aus „rein ins Feuilleton“, schwierig, auch wenn es ’nur‘ um Zeit, arte, Spiegel online, Süddeutsche usw. geht. Zweiter Punkt, Love A singen deutsch, wir beschränken uns also mit ziemlicher Sicherheit auf den deutschsprachigen Raum, was natürlich ein limitierender Faktor ist.
Jörkk: Zu alt für´s Cover der BRAVO – zu fett, um ein Feature im „Fit for fun Magazin“ zu bekommen und zu asozial, um in gepflegten Medien wie dem „Pfeife und Tabak“-Magazin zum Beispiel, stattzufinden. Ein sperriges, heißes Eisen also…
Crazewire: Nun ist es so, dass man mit Bands in Eurer Größe eigentlich kein Geld verdienen kann. Was treibt Euch immer wieder an, neben Euren normalen Jobs so umtriebig zu sein, wie Ihr es seid?
Dommes: Wir machen das, was wir da tun, sehr gerne. Letztlich ist es das beste Hobby der Welt und ermöglicht uns, aus dem Alltag auszubrechen, eine Oase der Jugendlichkeit zu bewahren und ist darüber hinaus eine angenehme Form, sich kreativ austoben zu können. Auch wenn das zeitweise anstrengend ist, opfert man da gerne seine Zeit. Wir haben nicht die Ambition, einen „Durchbruch“ zu schaffen oder von unserem musikalischen Schaffen dauerhaft leben zu können. Auch wenn wir froh sind, im Rahmen unserer beschränkten Möglichkeiten Erfolge feiern dürfen oder in unserer Nische wachsen können. Da sind wir dann auch gerne fleißig, da uns das einfach großen Spaß bereitet.
Jörkk: Die Menschen, die man kennenlernt, die kleinen Fluchten vor dem Alltag, auch wenn der bei uns in der Regel nicht wirklich ganz „normal und langweilig ist“ und der kostenlose Alkohol natürlich. Das ist eben, was wir alle machen am Wochenende: Andere Leute gehen Skifahren, spielen Skat, gehen Fußball spielen oder in den Swinger-Club. Wir machen eben Musik zusammen und eiern in einem Bus durch Deutschland.
Crazewire: Um mal kurz auf Euer aktuelles Album „Jagd und Hund“ zu kommen. Gleich das erste Video ist die poppigste Nummer auf dem Album. Doch berechnend?
Dommes: Das ist doch gar nicht das poppigste Stück! Aber davon abgesehen finde ich „100.000 Stühle leer“ eines unserer besseren Lieder und auch insofern passend, weil es als erstes Video andeutet, dass wir auf „Jagd und Hund“ im Vergleich zu den Vorgängeralben etwas abwechslungsreicher und partiell weniger hektisch agieren.
Karl: Da gab es gar keine großen Diskussionen. Stefan meinte irgendwann er würde dazu gerne ein Video drehen und damit war die Sache beschlossen. Im Nachhinein hat es schon seinen Reiz einen für unsere Verhältnisse ruhigen Song als erste Single zu nehmen, weil recht viele Leute verwirrt waren und dachten, wir würden jetzt einen Jupiter Jones-Weg einschlagen.
Jörkk: Das habe ich mir schon gedacht, dass die Frage kommt – wird nicht zum ersten Mal gestellt! Aber tatsächlich war Stefans „Bock haben“ und die Tatsache, dass wir ihn alle einfach gut fanden im Endeffekt entscheidend.
Crazewire: Die ersten Kritiken lesen sich eigentlich recht positiv. Wo seht Ihr die größten Unterschiede zum Vorgänger?
Dommes: Wir haben ein bisschen mehr Zeit im Studio verbracht, was sich zum Teil in einer – zumindest für unsere Verhältnisse – verspielteren Produktion äußert. Darüber hinaus haben wir versucht, das Album etwas heterogener klingen zu lassen als „Irgendwie“ und „Eigentlich“. Teilweise haben sich auch unsere Schwerpunkte verschoben. Man hört in den Liedern wahrscheinlich etwas stärker Wave-Einflüsse und weniger Punk-Referenzen heraus.
Karl: Diesmal hatten wir auch eine ziemlich klare Vorstellung davon wie sich die Platte anhören sollte und haben das auch im Vorfeld mit Robert (Produzent. Anm. d. Red.) diskutiert. Über so etwas haben wir uns früher nie Gedanken gemacht.
Jörkk: Größter Unterschied für mich ist, dass die Songs (zumindest gefühlt) noch schneller, spontaner und chaotischer entstanden sind – und somit auch die Texte meines Erachtens nach noch viel mehr aus eigenen Momentaufnahmen bestehen und Themen bearbeiten, die mich gerade in dem Moment beschäftigt hatten.
Crazewire: Jörkk, vor einigen Wochen hatte eine offensichtlich rechtsoffene Facebook-Seite ein Zitat aus „Windmühlen“ zitiert und darunter Euer Video gepostet. Nun ist es so, dass immer häufiger deutschsprachige Indie-Bands vom rechten Rand instrumentalisiert werden. Hast Du, als jemand, der eine intelligente, aber häufig auch eine bildliche Sprache benutzt, beim Schreiben der neuen Texte daran gedacht, keine „zweideutige“ Begrifflichkeit zu nutzen.
Jörkk: Zu keiner Zeit. Ich denke ja tatsächlich nur in dem Moment nach, in dem ich den Text schreibe. Ich konzipiere ja nie etwas am Reißbrett. Ich war darüber auch im ersten Moment erbost, bzw. verunsichert, ob ich da doch zu viel Raum lasse – aber man muss sich davon frei machen und stattdessen im sonstigen Gestus/in der Außenwirkung klar Stellung beziehen, was wir ja Üblicherweise auch tun. Aber abgesehen von „An Tagen wie diesem“, das ja bekanntlich von der CDU instrumentalisiert wurde, könnte auch ein beinharter Nazi problemlos „Opelgang“ von Die Toten Hosen, „Lonely Boy“ von den Sex Pistols, oder auch „Trampen nach Norden“ von Pascow gut finden. Das kann man ja der Band nicht vorwerfen. Das ist zumindest meine Meinung. Denn ich kann ja nicht in jedes Outro noch ein „Nazis raus!“ einsingen/nuscheln, nur damit die unsere Musik nicht mehr gut finden oder bei ihren Idiotenlagerfeuerfesten spielen können. PS- Nazis raus!
Video: Love A – „100.000 Stühle leer“