New Model Army – Palladium, Köln (20.12.2025)

„New Model Army + The Levellers“ – was sich liest wie die Beschriftung eines meiner Lieblings-Tapes aus den frühen Neunzigern, ist nicht weniger als die Idealbesetzung einer liebgewonnenen Tradition: der alljährlichen Weihnachtsshow der Nordbriten um Justin Sullivan im Kölner Palladium.

Bereits seit den frühen 2000er-Jahren veranstalten New Model Army zum Jahresabschluss diese Konzerte. Meist handelt es sich um Stand-alone-Gigs, losgelöst von sonstigen Tourplänen oder Veröffentlichungszyklen, die der Band zum einen die Freiheit zu ungewöhnlichen Setlists bieten und zum anderen oft auch äußerst spannende Support-Acts mit sich bringen. Heute sind es, zu unserer großen Freunde und nicht zum ersten Mal in der Geschichte dieser Weihnachtstradition, The Levellers. Sie eröffnen – für uns, die wir etwas spät dran sind und den eigentlichen Opening Act Preyr ärgerlicherweise verpasst haben – um 20:15 Uhr den Abend.

Ihr einstündiges Set konzentriert sich, ganz ähnlich wie schon die Headline-Show im vergangenen Winter im Kölner Gloria (→ Konzertbericht), auf das Erfolgsalbum „Levelling The Land“ von 1991 – allein acht der insgesamt sechzehn gespielten Songs werden von diesem Release stammen. Hinzu kommen Songs vom Debüt „A Weapon Called The Word“ (1990) und dem 1995er-Release „Zeitgeist“. Gibt man sich sowohl auf als auch vor der Bühne des vollen Palladiums zunächst noch recht verhalten, markiert spätestens der obligatorische Gastauftritt des Didgeridoo spielenden Stephen Boakes zur Mitte der Show so etwas wie einen Wendepunkt. Von nun an folgt Hit auf Hit: „The Road“, „One Way“, „Another Man’s Cause“, „Carry Me“, „World Freak Show“, „Fifteen Years“, „Dirty Davey“ sowie der Signature-Song „Liberty Song“ – all diese Lieder hätten wohl auch ein ausgezeichnetes Best of…-Album der frühen Jahre dieser Band abgegeben. Das Palladium tanzt und singt längst gut gelaunt dem Ende der Show entgegen ehe „The Riverflow“ das Set beschließt und The Levellers einmal mehr ihrem Ruf als exzellente Live-Band vollends gerecht werden.

Und doch schwingen bei allem Vergnügen, wie schon im Vorjahr, auch Momente der Wehmut mit. Dieser einstige Wanderzirkus namens The Levellers war einmal mehr als seine Musik. Die Erkenntnis, dass die Lieder, denen wir glaubten, heute nur noch zum Tanzen und Mitklatschen serviert werden, lässt mich nicht unberührt zurück. Kein Wort zur aktuellen Weltlage, kein Kontextualisieren der Songs – eigentlich überhaupt kein verbaler Austausch mit dem Publikum. Von Frontmann Mark Chadwick kaum ein Lächeln. Just a trip down memory lane? Oder just business? Beides wäre schade…

Um 22:00 Uhr ist es dann soweit: New Model Army starten, wie auch schon The Levellers, zunächst zurückhaltend mit Sullivans Soloperformances zu „Snelsmore Wood“ (2000) und „Another Imperial Day“ (2005), schließlich gefolgt von „Christian Militia“ (1982) im Full Lineup. Eine passende Eröffnung aber zur erhofften – und von Sullivan auch alsbald angekündigten – Reise durch sage und schreibe 45 Jahre Bandgeschichte.

Anders als ihre Mitstreiter von The Levellers werden sich New Model Army nämlich keineswegs auf ein einzelnes Album konzentrieren. Wie sollten sie auch? Die heutige Show wird, wie schon ihre 2023er-Vorgängerin (→ Konzertbericht), insgesamt 21 Songs von nicht weniger als 13 unterschiedlichen Alben umfassen. Und dabei begnügen sich die Briten längst nicht mit den Hits der jeweiligen Releases („Wir haben keine Hits!“ sagt Sullivan), sondern streuen stattdessen, vor allem in der ersten Hälfte des Konzerts, immer wieder Deepcuts in die Setlist, die von einem der treuesten Fanlager des Rockzirkus allesamt frenetisch gefeiert werden – völlig unabhängig davon, ob die Songs zwei Jahre alt sind, oder 32. Beeindruckend.

Aber auch für uns Normalos verdichtet sich die Hit-Frequenz auf der Zielgeraden des Konzert zusehends: „No Rest“, „Here Comes The War“, „Purity“, „225“ und sehr zu meiner Freude (im vierten oder fünften Anlauf) endlich auch mal „51st State“ reihen sich ein. Nach der wunderschönen bittersüßen Ballade „Green And Grey“ ist kurz Pause, ehe eine für den Abend so passend wieder buntgemischte Zugabe aus „Idumea“ (2024), „Stupid Questions“ (1989) und „Wonderful Way To Go“ (1998) das Konzert beendet.

Auch Sullivan ist heute übrigens kein Mann der vielen Worte, gibt sich aber gleichwohl nahbar und gut gelaunt. Und wenn er spricht, gibt es keinen Zweifel an seiner Intention und am Gehalt seiner Aussagen. Es sei angesichts der ganzen „Fucker“ wie Trump, Vance, Le Pen und der hiesigen Alternativen Plage regelrecht erschreckend, wie viele der Lieder erst gestern hätten geschrieben worden sein können, sagt er einmal. „Sie wollen uns Angst machen. Angst machen und Mißtrauen säen. Lasst das nicht zu. Geht raus auf die Straße und vertraut einander!“ Liebe und Respekt gehen raus an New Model Army. [kh]

Setlist:
Snelsmore Wood
Another Imperial Day
Christian Militia
Echo November
First Summer After
Winter
Never Arriving
No Rest
Do You Really Want to Go There?
Here Comes the War
Notice Me
Before I Get Old
Stormclouds
Purity
Lust for Power
51st State
225
Green and Grey
– – –
Idumea
Stupid Questions
Wonderful Way to Go