Julie Doiron – Live in Düsseldorf (02.07.2015)

Julie Doiron in Düsseldorf? Wahnsinn!
Mensch, dass sich die Kassette in Oberbilk mal zu einer der spannendsten Konzertlocations in Düsseldorf entwickeln würde, hätte ich bei der Eröffnung vor einigen Jahren nicht gedacht. Da konnte man die Ambitionen der beiden tollen Besitzer Kim und Tobi zwar erkennen, ob das Publikum in der Landeshauptstadt das stilsichere Musikprogramm annehmen und sich zahlreich nach Oberbilk verirren würde, war aber nicht ganz klar. Mittlerweile hat sich die Kassette jedoch etabliert und zaubert immer wieder überraschende Künstler aus dem Hut.
Als ich gelesen habe, dass Julie Doiron nach Düsseldorf kommt, habe ich mich vor Freude fast nass gemacht (´tschuldigung). Als riesiger Eric´s Trip-Fans ist das natürlich ein Pflichttermin, ganz egal, ob Stress auf der Arbeit oder 38 Grad im Schatten. Eric´s Trip, soviel Hintergrundinfo muss sein, war eine Lo-Fi-Band aus Kanada, die in den 1990er-Jahren mit Alben wie „Love Tara“ oder „Forever Again“ kleine Meisterwerke auf Sub Pop Records veröffentlichte. Julie spielte in dieser Band Bass und sang gemeinsam mit ihrem kreativen Konterpart (und Ex-Freund) Rick White ehrliche Songs über die Liebe und das Erwachsenwerden (Anspieltipp: „Sand“ und „Behind The Garage“). Nach der Trennung der Band nahm Julie weiter fleißig Songs auf, die zuerst auf Sub Pop später auf Jagjaguwar Records veröffentlicht wurden. Mit ihrem Album „Julie Doiron and the Wooden Stars “(hier spielt u.a. unser Freund Michael Feuerstack mit) gewann sie im Jahr 2000 sogar den Juno Award (so etwas wie der Echo in Deutschland).
Nun also Julie Doiron live in der Kassette. Begleitet wird die Kanadierin von Gitarrist Christopher Mc Laughlin, der dem Sound etwas mehr Fülle gibt und zudem für die etwas sphärischen Klangwelten zuständig ist. Das klingt zunächst wie ungeprobt, später etwas zerfahren, wächst aber mit jedem Song zu einem passenden Gesamtbild zusammen. Ohne neues Album im Gepäck spielen die beiden einen Querschnitt durch die vergangenen 15 Jahre. Die gefühlten 45 Grad in der Bar setzen Band und Publikum jedoch recht schnell zu, so dass die Kassette in Laufe des Konzerts immer leerer wird. Mir soll es recht sein, die Luft wird besser, es wird ruhiger, die Stimmung intimer und der Weg zum nächsten Kaltgetränk weniger anstrengend.
Am Ende spielt Julie einige Songs alleine – auf Zuruf und vor einem kleinen Publikum. In diesem Moment wird die charmant-schüchterne Einzigartigkeit dieser Musikerin deutlich. Sie erzählt kleine Anekdoten während derer man gar nicht auf den nächsten Song wartet, sondern einfach nur zuhört. Ältere Songs versucht Sie zu spielen, obwohl dieser eine Akkord in der Erinnerung fehlt (passt aber auch so). Und spätestens bei „Me and My Friend“ ist die Welt für einen Abend wieder in Ordnung, das schweißgetränkte T-Shirt vergessen und der Gedanke an das Aufstehen am Morgen verdrängt. Hoffentlich kommen die Beiden ganz bald wieder. Und hoffentlich wieder in die Kassette. Das hat perfekt gepasst.
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Video: Julie Doiron – „Me and My Friend“