Deadletter & King No-One – Harmonie, Bonn (10.10.2024)
Jedes Jahr im Oktober findet in Bonn eins der tollsten Indie-Events seiner Größenordnung statt: Das Crossroads-Festival in der Harmonie. Vier Tage lang präsentiert der gut 500 Fans-fassende Club im Stadtteil Endenich gemeinsam mit dem Fernsehsender Westdeutscher Rundfunk eine spannende Mixtur aus nationalen und internationalen etablierten Bands der Szene sowie neuen musikalischen Sternen am Indie-Himmel.
Am 10. Oktober 2024 standen die Briten King No-One und Deadletter auf der Harmonie-Bühne – obligatorisch für das Festivalformat live begleitet von WDR-Kameras für dessen legendäres TV-Format Rockpalast. Beide Acts präsentierten dabei dem ordentlich gefüllten Music-Club ein jeweils rund 80-minütiges aufregendes Live-Set.
Punkt 19.15 Uhr eröffnen King No-One den Showabend – im besten Sinne des Worts: Glamourous Indierock beschreibt das, was die vier ursprünglich aus dem englischen York stammenden, mittlerweile jedoch in Manchester beheimateten jungen Musiker on Stage abliefern, wohl am treffendsten: musikalisch wie optisch.
Der charismatische Sänger Zach Lout kommt in seinen braunen Stiefeletten, hautenger weißer Schlaghose samt roten Beinstreifen, dazu passendem knallroten Netzoberteil und Betty-Boop-Counterfeit-Jacke wie eine Mischung aus David Bowie und Brandon Flowers von The Killers daher – ebenso seine ausdrucksstarke Performance mit einer gesunden Prise Theatralik.
Seine Kollegen Rob Gration (Bass), James Basile (Schlagzeug) und Joseph Martin (Gitarre) stehen ihrem Frontmann indes in nichts nach: Mit chicem Hemd, Krawatte sowie Sakko samt Einstecktuch pflegt die Band einen Style, angesiedelt irgendwo im Dunstkreis der Londoner Blitz-Kids und New-Romantic-Bewegung. Ihr Sound ist dabei groovig und energievoll, so wie es sich für Musiker aus der Stadt tanzbarer Indie-Rhythmen wie etwa denen von New Order, den Stone Roses oder auch Courteneers traditionell anschickt.
Neben Songs aus ihrer formidablen 2023er-Debüt-EP „The Dead Hotel“ präsentieren King No-One mit „The Burden Of Empathy“, „Scumbag“, „Goodbye My Love“ und „Note Boys“ gleich vier unreleased Tracks, von denen der letztgenannte zudem sein allererstes Live-Play erhält. Der legendäre Manchester-Club „The Haçienda“ wäre gewiss stolz auf diesen Auftritt gewesen – das altersmäßig bemerkenswert gut durchmischte Bonner Publikum kommt jedenfalls schon vor dem vermeintlichen Hauptact des Abends vollends auf seine Kosten.
Der entert mit Deadletter aus London nach kurzer Umbaupause Schlag 21 Uhr die Harmonie-Stage. Als „pretty fuckin‘ beige“ bezeichnen die Indie-Artrocker ihr Schaffen in eigenen Worten. Was den Look der sechs ebenfalls noch jungen Künstler angeht, so lässt sich das zweifelsohne bestätigen – ziemlich zurückhaltend und unaufgeregt. Auf ihren musikalischen Vortrag trifft das allerdings so gar nicht zu.
Anarchisch, hypnotisierend, explosiv: Zac Lawrence (Gesang), Alfie Husband (Drums), George Ullyott (Bass), Poppy Richler (Saxofon) sowie Will King und Sam Jines (Gitarren) lassen es gewaltig krachen auf der Bühne Bonn-Endenichs und rütteln die Harmonie mit den dynamischen Tracks ihres jüngst erschienenen großartigen Debüt-Longplayers „Hysterical Strength“ einmal kräftig durch.
Dessen Klang geprägt ist von abrupten musikalischen Tempi-Wechseln, kantigen Gitarren, dem markanten Saxofon-Sound Richlers und dem eingängigen Gesang von Lawrence, der zuweilen an die ikonischen Vocals Ian Curtis‘ (Joy Division) erinnert – was im Übrigen mitunter auch auf die Live-Performance des Deadletter-Frontmanns zutrifft, dessen Lyrics über die Bedeutung des Lebens und Menschseins darüber hinaus eindringlicher ebenso kaum sein könnten.
Nachdem die Band sich mit einem ihrer früheren Songs „Zeitgeist“ und „It Flies“ vom Debütalbum beim begeisterten Publikum verabschiedet, hat der erfrischende Crossroads-Festivalabend seinen Höhepunkt erreicht. Und wenn sich die Zukunft der Indierock-Musik so anhört beziehungsweise anfühlt, dann muss sich wahrlich niemand Gedanken um sie machen.
Wer die Auftritte dieser beiden tollen Bands demnächst im Rockpalast-Format schauen möchte, hält am besten einfach mal auf den Internetseiten des WDR Ausschau – KLICK!