Jeffrey Lewis – Live in New York (27.10.2015)
Es ist immer gut, wenn man in Städten wie New York Freunde hat, die einem Tipps geben, wo man seine Abende verbringen sollte. In unserem Fall sind es die Redaktionslieblinge Dan und Rachel, die mich auf eine Show von Jeffrey Lewis mitnehmen, einem Independent Musiker und Comiczeichner, der die Veröffentlichung seines neuen Albums direkt mit einer ganzen Kunstausstellung verbindet.
Aber zunächst widmen wir uns dem Vorprogramm. Der Abend im Le Poisson Rouge, einem hippen Club mitten in Manhattan, beginnt mit der Punkrockband Crazy & The Brains. Die Band, die sich laut Eigenaussage bei einem Open Mic-Abend kennengelernt hat, spielt unaufgeregten Punkrock mit hörbar britischem Einfluss. Das Besondere an der Band? Als Alleinstellungsmerkmal nutzt die Band Xylofon und Glockenspiel. Das klingt erstmal unspannend, kennt man ja von den ganzen Folkbands. Was der Kerl hinter dem Xylofon jedoch während der Songs veranstaltet… Knaller! Muss ich mir unbedingt später ausführlich auf Platte anhören (die teilweise von Brian Speaker, einem weiteren Redaktionsliebling, produziert wurde). Ich hatte lange nicht mehr so viel Spaß bei einem Konzert einer Punkband.
Als nächstes dann Hamell On Trial (bürgerlich: Ed James Hamell). Der Musiker und Spoken Word-Künstler ist eine Institution in der Anti-Folk-Szene New Yorks. Seit 25 Jahren aktiv, spuckt er seinen Hass gegen das Establishment von der Bühne, wie ich es selten gesehen habe. Leider viel zu schnell, so dass manche Pointe an mir vorbei geht. Denn trotz all dem Hass ist Hamell saulustig. Man merkt ihm seine Bühnenerfahrung in jeder Sekunde an. Ganz schön beeindruckend. Spätestens bei seinem „Face-Solo“ lacht so ziemlich jeder der ca. 200 Anwesenden. Auch beeindruckend: Hamell nutzt lediglich eine sehr alte Gibson-Akustikgitarre (das Internet hilft, sie ist von 1937) und einen alten Röhrenverstärker. Gepaart mit seiner unfassbaren Stimme ist das ganze jedoch lauter, als die Punks von Crazy & The Brains.
Zum guten Schluss dann Jeffrey Lewis. Jeffrey ist Comiczeichner (u.a. „Fuff“, sehr empfehlenswert) und Musiker aus dem Umfeld des legendären Sidewalk Cafes. In den vergangenen Jahren war er mit Stephen Malkmus (Pavement) und The Vaselines auf Tour, arbeitete mit Kimya Dawson zusammen und veröffentlichte Comics in der New York Times. Seit 15 Jahren veröffentlicht er zudem kleine, liebevoll produzierte Folk-Alben mit Punk-Attitüde. Auch er ist mittlerweile eine Institution in der Anti-Folk-Szene und heute Abend so etwas wie der Gastgeber. In tagelanger Kleinstarbeit hat er den gesamten Vorraum des Le Poisson Rouge mit seinen Comics tapeziert, was äußerst cool aussieht. Auf der Bühne steht er dann später mit zwei jungen Musikerinnen, die Schlagzeug, Keyboard, Bass und Mundharmonika spielen, während er selbst Gitarre spielt und singt, oder seine Gitarre loopt und dabei auf der Videoleinwand Comics zeigt („Die Geschichte des Kommunismus“). Das alles ist so unglaublich cool, dass man es so richtig nicht in Worte fassen kann. Dass nicht zwingend alle Songs Hits sind, sollte dabei klar sein. Ebenso, dass man nicht jeden Witz versteht, da man hierfür in New York leben müsste. Die unfassbar sympathische Art, wie er jedoch zwischen den Songs die Geschichten aus 15 Jahren Musikerdasein in New York erzählt, machen das Ganze äußerst kurzweilig und unterhaltsam.
Und so ist dieser Abend auf seine ganz spezielle Art ziemlich brillant und ich bin sehr dankbar, dass uns unsere Freunde Dan & Rachel sowie Brian Speaker, der Jeffrey Lewis‘ neues Album „Manhattan“ produziert hat, mit ins Le Poisson Rouge genommen haben.
Video: Jeffrey Lewis – „Cult Boyfriend“