Interview mit Herrenmagazin
Herrenmagazin haben ein neues Album aufgenommen. „Sippenhaft“ heißt es, und knüpft nahtlos an die Entwicklung der Band an. Erwachsener und etwas nachdenklicher wirkt es. Grund genug, mit Sänger Deniz Jaspersen über den Hintergrund des Albums zu sprechen.
Crazewire: Als ich den Albumtitel „Sippenhaft“ zum ersten Mal gelesen habe, habe ich ehrlich gesagt zunächst an die neue Angst vor „Überfremdung“ gedacht. Nach dem Hören des Albums scheint aber eher ein persönlicher Bezug den Titel zu prägen. Richtig?
Deniz: Nein, um Überfremdung geht es nicht. Es geht um die sozialen Netzwerke und Verstrickungen die uns beeinflussen. Das kann meinetwegen Familie sein aber eben auch Freunde, Arbeit usw. Man trifft seine Entscheidungen immer vor dem Hintergrund vieler weiterer Faktoren. Eben weil sie einem irgendwie vernünftig erscheinen oder schlichtweg aus ökonomischem Interesse. Das gilt auch für Musik. Auch in diesem Feld stößt man auf viele Vorschriften, die man einhalten muss. Immer wieder sieht man sich entweder mit ästhetischen oder mit Verhaltensregeln konfrontiert deren Einhaltung unabdingbar scheint. Die Vorstellungen davon wie man als Künstler zu sein hat, sind schon sehr konkret und stehen ja eigentlich auch im Widerspruch zum Idealtypus eines selbstbestimmten Künstlers. Es gibt eben kein komplett selbstbestimmtes Leben und diese Aussichtslosigkeit fand ich irgendwie spannend.
Crazewire: Bei allem Druck sich künstlerisch gerecht zu werden (persönlich und als Band). Ich zitiere mal Love A-Sänger Jörkk Mechenbier: „Warum nicht morgens lächelnd aufstehen?“ – Warum also dieser Druck?
Deniz: Es leicht zu nehmen fällt mir offen gestanden schwer. Liegt vermutlich an meiner Harmoniesucht. Ich möchte von allem Menschen geliebt werden. Es ist meine Lebensaufgabe, das entweder zu schaffen oder mich damit abzufinden dass es nicht geht.
Crazewire: In Eurer Bandbio steht, dass Ihr Euch als Band im Vorfeld die Sinnfrage gestellt habt, ob Ihr überhaupt ein neues Album aufnehmen wollt. Das „Klima in der Musikbranche“ und der „Status der Band“ ließen Euch zweifeln. Welchen Stellenwert hat denn eine Band wie Herrenmagazin? Ich sehe da eigentlich eine der spannendsten und besten deutschsprachigen Bands zurzeit.
Deniz: Oh, vielen Dank für die Blumen! Ich glaube ich kann dir gar nicht sagen wie wichtig diese Band für uns ist. Ich kann jetzt nur für mich sprechen, aber Musik war immer mein Lebensmittelpunkt. Seit ich 12 bin wollte ich Musiker werden und Herrenmagazin arbeitet seit 10 Jahren sehr hart daran das es weiter geht. Die emotionale Verbindung mit diesem Projekt ist so eng, dass es fast schon wieder ungesund ist. Wenn du das jetzt zum Quadrat nimmst kommst du vielleicht annähernd an den Stellenwert heran den Herrenmagazin in meinem Leben heran.
Crazewire: Und ist das Klima in der Musikbranche für eine Band wie Herrenmagazin wirklich so schlecht? Okay, für ein Leben ohne normalen Job wird es schwerlich reichen, aber Plattenfirma, Management etc. sind doch auch nicht schlecht?
Deniz: Nein, Herrenmagazin geht es nicht schlecht. Aber wir investieren jeden Pfennig den wir einnehmen in die Band zurück. Dadurch können wir auf einem hohen Niveau aufnehmen, den Merch vorfinanzieren und Sachen umsetzen die wir möchten. Uns geht es persönlich nicht schlecht, weil wir zu keinem Zeitpunkt davon leben konnten und unser Leben somit auch nie danach ausgerichtet haben. Ein Management ist ein großer Luxus den wir uns leisten, weil wir eben kein Hobby sein wollen. Das heißt aber nicht, dass zwischen Wunsch und Realität keine Differenz bestünde. Außerdem geht es doch um die Zeit. Wenn ich arbeiten muss kann ich keine Musik machen. Ich will aber nichts anderes machen. Ich will nicht arbeiten. Ich will nur Musik machen und das kann ich nicht. Das ist Scheiße.
Crazewire: Ist man am Ende nicht trotzdem stolz auf das erbrachte, sprich das neue Album?
Deniz: Absolut. Wir sind uns vollkommen darüber im Klaren das wir Dinge erreicht haben von denen Andere nur träumen. Wir haben ein tolles Umfeld und sind unheimlich Stolz auf jede Platte, jede Tour, jedes Festival und all die tollen Sachen die wir erlebt haben. Da wir um die Vergänglichkeit wissen ist das für uns auch nicht selbstverständlich. Ganz im Gegenteil. Ein Album herauszubringen ist mit einem enormem Aufwand verbunden der über Jahre hinweg geht. Der Tonträger selbst ist eigentlich nur die Spitze des Eisbergs. Darum ist es auch so wichtig zu sehen das es Menschen gibt denen das was du machst etwas bedeutet.
Crazewire: Deniz, wir danken Dir für das Gespräch.
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Video: Herrenmagazin – „Ehrenwort“