Kettcar – Gute Laune ungerecht verteilt
Kettcar sind zurück. Sieben Jahre nach ihrem Album „Ich vs. wir“ unterstreicht die Hamburger Indie-Institution erneut ihre Sonderstellung in der hiesigen Musiklandschaft.
Mit ihrem sechsten Album „Gute Laune ungerecht verteilt“ gehen Kettcar den eingeschlagenen Weg weiter und positionieren sich politisch klar gegen den alltäglichen Irrsinn. Die allesamt starken Vorabsingles „München“, „Doug & Florence“ und „Auch für mich 6. Stunde“ geben den Hörer*innen klare Botschaften mit auf den Weg. Auch Songs wie „Kanye in Bayreuth“ oder „Blaue Lagune, 21:45 Uhr“ schlagen in eine ähnliche Kerbe, nur dass man sich hier ein bisschen tiefgehender mit den Texten von Sänger Marcus Wiebusch und Bassist Reimer Bustorff, die sich die Lyrics wie gewohnt teilen, beschäftigen muss.
„Interview, Promotage, Kommentieren der ganzen Lage. Wichtig, dass man sich verhält, wichtig, dass man Haltung zeigt. Unser politischstes Album seit … Oh bitte, ich bin ganz kurz eingeschlafen“ singt Marcus Wiebusch dann auch beim Opener „Auch für mich 6. Stunde“. Klar müssen solche Textzeilen naturlich mit einem Augenzwinkern gesehen werden. Wie sagt Reimer Bustorff im Crazewire-Interview (Anm. d. Red.: Ausgabe 2 // ab 19.04.2024) „Es geht hier ja viel mehr um die Erwartungshaltung: Was haben Kettcar zu dem Thema zu sagen, welche Lösungen hat die Band für all die Probleme?“
Ich hingegen freue mich ja über jeden, der seine Reichweite dazu nutzt, den ganzen Idioten da draußen Einhalt zu gebieten. In Zeiten in denen Springer oder Stern schon mal eine Täter-Opfer-Umkehr befeuern, brauche ich das einfach. Und deshalb gefällt mir „Gute Laune ungerecht verteilt“ noch ein bisschen besser, als der Vorgänger. Was auf der anderen Seite natürlich etwas zu kurz kommt, sind „befindlichkeitsfixierte“ Texte, die vor allem die ersten beiden Alben so großartig macht. Aber hey, man kann nicht alles haben.
Musikalisch ist das ganze übrigens es ein typisches Kettcar-Album. Nur diesmal eben mit mehr Hits. Marcus Wiebusch frönt weiter dem Sprechgesang, was ich immer mal wieder gewöhnungsbedürftig, aber vollkommen okay finde. Bei „München“ wird es zu Beginn ungewohnt aggressiv, nur um dann bei „Doug & Florence“ oder „Kanye in Bayreuth“ ein bisschen die Grenzen der eigenen Stilistik auszuloten. Am Ende bleibt es beeindruckend, über welch langen Zeitraum sich Kettcar eine solche Relevanz erhalten konnten. Bei solch großartigen Alben aber irgendwie auch kein Wunder.
Band: Kettcar
Album: Gute Laune ungerecht verteilt
VÖ: 05.04.2024
Label: Grand Hotel van Cleef