Brandtson – Dial In Sounds & Trying To Figure Each Other Out (ReIssues)

„Wishing you the best of luck. I hope you make it ‚cause it’s so important to you.“
(Brandtson – „Sic Transit Gloria“)

Steadfast Records ist, wie Ihr in unserer ersten Printausgabe nachlesen könnt, das Label von Brandtson-Gitarrist Matt Traxler. In den 1990er-Jahren gegründet, hat er das Label nach langer Pause vor einigen Jahren wieder reaktiviert. Seitdem veröffentlicht er Stück für Stück, den Backkatalog seiner ehemaligen Band sowie eine handvoll sehr guter und stilsicherer Punk- und Hardcore-Bands.

Pünktlich zu Halloween erscheinen mit der „Trying To Figure Each Other Out“-EP sowie dem 2002er-Album „Dial In Sounds“ die beiden noch fehlenden Veröffentlichungen als Vinyl- und Kassetten-ReIssues. Und was soll ich sagen, die Songs auf diesen beiden Platten bedeuten mir persönlich so viel, dass ich eigentlich keine objektive Kritik darüber schreiben kann und will. Also werde ich an dieser Stelle einfach mal persönlich:


Anfang der 2000er-Jahre studierte ich in Bonn Jura und war dabei unfassbar unglücklich. Bis heute kann ich die Entscheidung Rechtswissenschaften studieren zu wollen, nicht nachvollziehen. Zum Glück durfte ich zu dieser Zeit einige meiner heute besten Freunde kennenlernen und mit ihnen in Kneipen wie dem Bla oder dem mittlerweile geschlossenen Joey´s Appartment abhängen. Auch wenn Bonn recht klein ist, damals gab es dort eine sehr aktive und homogene Hardcore-Szene. Das lag natürlich auch an Dennis von Scenepolice, der uns alle mit den neusten Emo-Platten aus Amerika versorgte. Und so landeten auch alle Deep Elm-Veröffentlichungen früher oder später auf meinem Schreibtisch.

In Brandtson hatte ich mich schon auf der Compilation „Records For The Working Class Vol. 2“ schockverliebt, da sie mit dem darauf enthaltenen „Blindspot“ einfach den Inbegriff eines emotionalen Hardcore-Songs veröffentlichten (bis heute einer der drei wichtigsten Songs in meinem Leben). „Trying To Figure Each Other Out“ toppte das alles durch eine perfekte Symbiose aus Pop-Elementen, Punk und Indie-Rock. Der Opener „Sic Transit Gloria“ ist schlicht perfekt. Ebenso grandios „Leaving Ohio“ und das perfekt zweistimmig gesungene Ende von „Boys Lie“.

„Crazy that we will never be happy. So much time invested. You and me and all this wishful thinking. So much time you wasted“ (Brandtson – „Boys Lie“)

2002 veröffentlichten Brandtson schließlich „Dial In Sounds“. Ein Album, wie aus einem Guss. Wahrscheinlich eins meiner drei am meisten gehörten Alben der vergangenen 20 Jahre. Es ist ein nahezu perfektes Album. Über all den sowieso schon unfassbar guten Songs thront mit „Cherokee Red“ ein Song über Freundschaft und Kindheitserinnerungen. Dieses Stück holt mich seit dem ersten Hördurchgang unfassbar ab. Leider sprechen 21.593 Plays auf Spotify nicht unbedingt auch dafür, dass viele Menschen die Magie dieses Songs so empfinden.

„Brothers by a pocket knife. You traded me your secrets. I traded you all of mine. Sometimes when I’m looking back now. I wish I could say I’m sorry. I’m thinking of me and you. Back when things felt right.“ (Brandtson – „Cherokee Red“)


Besser kann man Sehnsucht und Freundschaft nicht auf den Punkt bringen. Auch das treibende „Guest List“ sowie das melancholische „The Rookie Year“ sind großartige Stücke, die ihresgleichen suchen. Wenn die Welt fair und gerecht wäre, wären Brandtson heute das Emo-Aushängeschild der 00er-Jahre. Aber das war der Band bedauerlicherweise nicht vergönnt. Zwei Alben und eine EP später lösten sich Brandtson klammheimlich auf.

Was bleibt ist Gitarrist Matt Traxler, der mit Steadfast Records das Erbe der Band auch 15 Jahre nach ihrer Auflösung stilsicher verwaltet und mich mit seinen ReIssues regelmäßig in den Ruin treibt. Aber ehrlich gesagt, sind die Alben dieser Band am Ende jeden einzelnen Euro wert.

Band: Brandtson
Album: Dial In Sounds // Trying To Figure Each Other Out (EP)
VÖ: 31.10.2023
Label: Steadfast Records // Deep Elm Records
Webseite: Steadfast Records