New Model Army – Unbroken
Mit „Unbroken“ veröffentlichen New Model Army am 26. Januar bereits ihr 15. Studioalbum – und laut offizieller Pressemitteilung erleben wir hier ihre moderne Seite, auf der sich altbewährte Energie und zeitgenössische Raffinesse treffen.
Vor dem Weihnachtskonzert am 16.12 im Kölner Palladium hatte ich intensiv die gesamte Diskografie der Band um Justin Sullivan studiert und dabei zwei Dinge festgestellt: Den direkten Draht zu New Model Army hatte ich persönlich bereits nach dem 1993er-Release „Love Of Hopeless Causes“ verloren. Und: Seitdem hat die Musik, auch und vor allem durch das Mitwirken der übrigen Bandmitglieder Dean White (Keyboard, später auch Gitarre, seit 1994), Michael Dean (Schlagzeug, seit 1998) und Ceri Monger (Bass, seit 2012) den ursprünglichen Pfad zwar nie verlassen, sich aber tatsächlich immer wieder neuen Einflüssen geöffnet. So erarbeitete sich zum Beispiel die Rhythmussektion immer deutlicher ihren ganz eigenen Platz im Sound der Band und auch Keyboard und Gitarre stehen oftmals auffallender als früher im Mittelpunkt. Textlich hat Sullivan währenddessen nie einen Zweifel an seiner Haltung gelassen und dies in sozial-politischen bis sehr persönlichen Lyrics zum Ausdruck gebracht.
An diesem Duktus soll sich auch auf „Unbroken“ nichts ändern. Los gehen wird es mit der bereits am 3.11. erschienenen Vorab-Single „First Summer After“: Klagende, eindringliche Vocals, begleitet von sirenenartigen Gitarrentönen, werden eingefangen von Sullivans Akustikgitarre und münden zum dröhnenden Refrain in einem Wechselspiel von Drums und Bass. Ein klassischer Opener und sicher eines der stärkeren Stücke des Albums. Der typische New Model Army-Sound bildet, da hat die Pressemitteilung schon recht, auch das Grundgerüst der weiteren Songs auf „Unbroken“. Immer wieder gibt es die akustische Gitarre, den drängenden Bass und die trockenen Drums zu hören – oft auch gemeinsam in markanten Arrangements. Und über allem liegt Sullivans unverwechselbare Stimme. Gleichzeitig ist das ganze Album aber auch durchzogen von einem für mich neuen, wuchtigen Gitarrensound mit ungewohnten Riffs, einem verzerrten Bass und einem regelrecht tribalartigen und warmen Schlagzeug- und Percussion-Spiel, in das jedes zweite Stück zu münden scheint.
Die wirkliche Eigenart des aktuellen Longplayers liegt aber noch einen Schritt weiter verborgen: Während die besonders prägnanten neuen Elemente wie zum Beispiel das Keyboard-Thema bei „Reload“, das brachiale Gitarre-Bass-Duo bei „Coming Or Going“ (zu dem ich schräger Weise bei jedem Hören mit Nirvanas „I don’t care, I don’t care, I don’t care…“ einzustimmen Gefahr laufe) oder der worldmusicesque Chor des womöglich brandaktuellen „Idumea“ nämlich beim ersten und auch beim zweiten Hören von mir noch als irritierend empfunden wurden, fügen sie sich schließlich peu a peu ins Gesamtbild und machen „Unbroken“ zu einem abwechslungsreichen, dennoch eingängigen und veritablen New Model Army-Album.
Schon bei meinem Hörmarathon zum Weihnachtskonzert hatten vor allem die aktuelleren Alben ein wenig mehr Zeit benötigt – oder besser: ich hatte ein wenig mehr Zeit benötigt. Wie sollten aktuelle Outputs auch auf Anhieb mit Songs mithalten können, die mich seit über dreißig Jahren begleiten? Wenn ich beim Hören ständig vergebens auf Songs wie „Poison Street“, „Ballad of Bodmin Pill“, oder „225“ lauerte, war das mein Problem, nicht das der Band.
New Model Army müssen niemandem mehr etwas beweisen, außer vielleicht sich selbst. Sullivan und Co. tun seit Jahrzehnten das, was sie für richtig und für wichtig halten und nur so bleibt die Band lebendig und relevant. Was wiederum zu dem schönen Paradoxon führt, dass es das Gesamtwerk New Model Army längst gibt – und das es dennoch immer noch entsteht. Das ist gut so. Beides.
Band: New Model Army
Album: Unbroken
VÖ: 26.01.2024
Label: earMUSIC