Brand New – Science Fiction
Brand New gehören zu den Bands, die einen großen Haufen auf jedwede Erwartungshaltung machen. Das ehrt die Band natürlich, macht das Hören ihrer Alben aber nicht immer ganz einfach.
Okay, das war vor 15 Jahren noch etwas anders. „Your Favorite Weapon“ (2001) bestand aus Pop-Punk-Nummern, die zwar gut, aber nicht weltbewegend waren. Ich mochte das Album trotzdem oder gerade deswegen. Zwei Jahre später veröffentlichten Brand New dann „Deja Entendu“. Eine Emo-Blaupause, die der Band erste Charterfolge und eine große Fan-Schar bescherte. Für mich bis heute eines der besten Alben überhaupt. Songs wie „Sic Transit Gloria“ oder „The Quiet Things That No One Ever Knows“ kann man nicht besser schreiben/produzieren/darbieten.
Danach wurde die Band dann aber „anspruchsvoller“. 2006 veröffentlichten Brand New mit „The Devil and God Are Raging Inside Me“ ein Album, dass ich jüngst auf Vinyl gekauft und erst da verstanden habe. Also knappe zehn Jahre nach VÖ. Die Songstrukturen wurden komplizierter, die Refrains, wenn denn überhaupt noch welche als solche zu erkennen waren, vertrackter. Heute würde ich es als sehr gutes Album bezeichnen, was ich damals niemals getan hätte und über das 2009er-Werk „Daisy“ auch bis heute nicht tun würde. Denn das habe ich tatsächlich immer noch nicht verstanden.
Warum ich das alles erzähle? Acht Jahre nach diesem von mir unverstandenen Werk erscheint nun „Science Fiction“, ein Album, dass ebenso verschroben und wenig eingängig wirkt, wie sein Vorgänger. Trotzdem schafft es „Science Fiction“ ohne Umwege auf Platz 1 der amerikanischen Billboard-Charts. Jetzt mal ernsthaft. Eine Indie-Band, die auf jegliche Pop-Strukturen pfeift, acht jahre kein reguläres Album veröffentlicht und dann aus dem Stehgreif 55.000 Einheiten (sic!) verkauft. Das muss man erstmal hinbekommen. Spricht aber auch dafür, dass die Band auch in der Zwischenzeit mit allerlei kleineren Tourneen oder Veröffentlichungen alles richtig gemacht hat.
Die Stücke auf „Science Fiction“ brauchen auch wieder Zeit. Nicht nur, dass 2/3 der Songs länger als fünf Minuten lang sind, sie erschließen sich auch nicht sofort. Die gewohnten Strukturen mit schönem Gitarren-Picking und sphärischen Klängen im Hintergrund sind geblieben. Dazu die Stimme von Sänger Jesse Lacey, die schon kaum mehr melancholisch, sondern eher verzweifelt depressiv zu nennen ist, steht weiterhin im Mittelpunkt, lässt aber auch Platz für die wirklich guten Musiker. Harte Ausbrüche werden seltener, die Gitarrenarbeit wichtiger. Und aus dem Nichts dann der Hit. „Can´t Get It Out“ vereint alles, was die Band seit „Deja Entendu“ ausgemacht hat. Darüber zu schreiben, müßig. Klickt einfach auf das untenstehende Video.
Auch wenn ich denke, dass „Science Fiction“ wieder seine Zeit brauchen wird, ich mag das Album. Gewisse Popstrukturen kann man beim genauen hinhören ebenso erkennen („Could Never Be Heaven“, „In The Water“), wie die ein oder andere Reminiszenz an alte Grunge-Bands (gewollt oder nicht gewollt, sei mal dahin gestellt). Alles in allem haben Brand New wieder einmal alles richtig gemacht.
Video: Brand New – „Can´t Get It Out“