Arcade Fire – Everything Now
Der Titeltrack beginnt wie die Titelmusik eines Rosamunde Pilcher-Films im öffentlich-rechtlichen Fernsehen. Man muss während des Hörens des neuen Arcade Fire-Albums manchmal erschrocken feststellen, wie poppig und klebrig die Kanadier mittlerweile geworden sind. Zum Glück kriegen sie auf Albumlänge doch nochmal die Kurve – so gerade.
Besagter Titeltrack ist wirklich absolut kacke. Das muss man einfach mal sagen. Gut, ich war nie DER große Arcade Fire-Fan. Um die Magie von „Funeral“ (2004) und „Neon Bible“ (2007) in voller Wucht zu begreifen, habe ich Jahre gebraucht. Dann allerdings war ich beeindruckt, wie gut diese Band eigentlich ist. Die beiden folgenden Alben „The Suburbs“ (2010) und „Reflektor“ (2013) fand ich dann zwar gut, aber die Magie der ersten Jahre war flöten gegangen.
2017 bringt der Focus sogar zwei Doppelseiten und feiert sowohl das Album („Die Band feuert aus allen Richtungen mit Sound-Reizen“) als auch den Titeltrack („Der Titelsong ist dreist, unverschämt, ranschmeißerisch. Und großartig.“) ziemlich ab. Der Titel „Everything Now“ ist dabei wörtlich zu nehmen. Schließlich gibt es auf dem aktuellen Werk der Kanadier eine schöne Mischung aus allen Musik-Stilen, die momentan angesagt sind. Nur den schnöden Folk oder die verschrobenen Indie-Hymnen früherer Tage sucht man hier vergebens. Die alten Fans haben demnach ihren Unmut bereits in den sozialen Netzwerken kundgetan, die Kritiker erstmals nicht nur positiv berichtet.
Aber irgendwie wäre ein rumhacken auf „Everything Now“ zu einfach. Denn objektiv betrachtet sind die Stücke, die von Thomas Bangalter (Daft Punk), Geoff Barrow (Portishead) und Steve Mackey (Pulp) produziert wurden, vielseitig und handwerklich auf gewohnt hohem Niveau. Mir persönlich ist das zwar alles zu gewollt, zu Kunst und zu anstrengend. Aber gut gemacht ist es eben trotzdem. Wenn sich hinter den Stücken jedoch eine gewisse Konsumkritik verstecken sollte, wie es die Band hin und wieder andeutet, so wäre es sinnvoller, diese auch hörbar zu vertonen. Denn wenn keiner sie hört, läuft die Kritik ins Leere.
Video: Arcade Fire – „Signs Of Life“