Gorilla Biscuits – Köln, Die Kantine (17.11.2025)
„I tell you stage dives make me feel more alive…“ – Die ungekrönten Herz-Könige des New York Hardcore bescheren uns in der dampfenden Kantine zu Köln mit mehr als 20 Lieblingsliedern am Stück und einer Handvoll ausgesuchter Cover eine Hardcore-Show wie aus dem Bilderbuch.
Dabei hat es nach dem Ende der Band 1992 lange Zeit gar nicht so ausgesehen, als komme die Nachwelt noch einmal in den Genuss ihrer außergewöhnlichen Live-Qualitäten. Entgegen aller Verweigerungsschwüre der Band, kommt es im Oktober 1997 aber schließlich für eine Benefit-Show zugunsten der Familie des verstorbenen Warzone-Sängers Raybeez im New Yorker CBGB doch zu einer ersten Wiedervereinigung. Im August 2005 folgt eine weitere, diesmal für das CBGB selbst. Und die Eindrücke dieser Abende sorgen in der Folge schließlich für eine ganze Reihe von Revivals, die 2007 sogar in einer ausgedehnten Europatour gipfeln.

Gorilla Biscuits – hier noch als Band auszumachen.
2025 – knapp 20 weitere Jahre später also – ist es nun wieder so weit: Die Gorilla Biscuits touren im nahezu ursprünglichen Start Today-Line-up durch Europa und wie schon 2007 lasse ich mir die Chance, eine der für mich prägendsten Bands live zu erleben, nicht entgehen. Ähnliches denkt sich scheinbar auch ganz Köln und so ist Die Kantine an diesem kalten Novemberabend bis in den letzten Winkel prall gefüllt. Insgesamt drei Vorbands haben dem Publikum schon eingeheizt, als die ikonische Trompetensalve von „New Direction“ erklingt, die ersten Stage-Diver die Bühne erklimmen und nur kurze Zeit später eine ganze Location wie auf Knopfdruck in die Luft zu fliegen droht.
Charlie Garriga ersetzt heute den 2019 viel zu früh verstorbenen Gitarristen Alex Brown, der sich der Band vor den Aufnahmen von „Start Today“ angeschlossen hatte, ansonsten sehen wir hier alle Original-Biscuits aus der Zeit dieses Genre-Meilensteins: Luke Abbey an den Drums, Arthur Smilios am Bass, das strahlende Mastermind Walter Schreifels an der zweiten Gitarre und einen schon vor dem ersten Gitarren-Riff wild auf und ab springenden Anthony „Civ“ Civarelli am Micro.

Stage-Entry der besonderen Art.
Von der überwältigenden Energie ihrer Revival-Shows zeugen etliche YouTube-Clips. Und auch wenn Civ, wie er des Öfteren betont, heute Abend eine niedrigere Bühne präferiert hätte, ist diese Show ihren Web-Vorbildern durchaus ebenbürtig. Vor allem eine junge Generation von Hardcore-Kids nimmt Civs „This stage is yours“-Aufforderungen dankend an und kommt einen Abend lang aus dem Crowdsurfen und Stagediven gar nicht mehr heraus. Wir älteren Semester stehen derweil nicht nur ein wenig abseits, sondern auch mit einem Fuß in der Vergangenheit, shouten inbrünstig jede Zeile mit und erleben ehrfürchtig, wie etliche Jahrzehnte Hardcore-Geschichte in lauten, zweiminütigen Songs an uns vorbeirauschen. Und wenn die ganze Halle Lines wie „’Cause what might seem dumb to you is pounding in my heart“ brüllt, ist das ein kollektives Feiern, das weit über reine Nostalgie hinausgeht.

Zu fast allen Songs aus der eigenen Diskografie (Fast könnte man sagen: Zur vollständigen eigenen Diskografie…) ballert die gut gelaunte Band neben „Minor Threat“ (Minor Threat), „As One“ (Warzone) „Do Something“ und „Can’t Wait One Minute More“ (beide CIV) auch noch die Coverversion des The-Clash-Hits „Shoud I Stay Or Should I Go“ raus, die schon auf dem legendären „Live At The Safari-Club“-Mitschnitt von 1991 zu hören war. Die perfekte Setlist für einen rundum gelungenen Abend also.
Nach knapp anderthalb Stunden verabschiedet eine Band ihn Hochform den verschwitzten Mob mit dem Signature-Song „Start Today“ und einigen warmen Worten in die frostige Niehler Herbstnacht. Eine pure Hardcore-Show fernab jeglicher Folklore. Stark!

„The stage is yours!“
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Heads up! Ein ausführliches Porträt seiner persönlichen NYHC-Lieblinge samt Dokumentation eines wilden Jahrzehnts im Underground des Big Apple gibt’s im nächsten Teil von Karstens Those Were The Days-Reihe im kommenden CRAZEWIRE-Magazin.
