The Lemonheads – Love Chant
Da ist es, das erste Studioalbum der Lemonheads seit fast 20 Jahren. Dass es Evan Dando noch einmal schaffen würde ein brauchbares Album zu veröffentlichen, hat wohl niemand so recht geglaubt. Geklappt hat es trotzdem.
Das letzte Mal, dass ich Evan Dando gesehen habe, war im Kölner Gebäude 9, als er mit seiner Akustikgitarre und der gefürchteten Null Bock-Attitüde den eh nur halbgefüllten Club innerhalb von 90 Minuten quasi leer spielte. Und auch das letzte Konzert der Lemonheads vor einigen Wochen im Kölner Luxor scheint eher nicht so dolle gewesen zu sein. Dass Dando schon beim ersten Livekonzert, dass ich von ihm erleben durfte so betrunken war, dass er in den Bühnengraben fiel, habe ich damals mit meinen 15 Jahren noch recht cool gefunden. Über die kommenden 30 Jahre tat er mir aber eher leid, wie er da auf der Bühne stand und das Vorprogramm seine Songs singen musste, weil er einfach in einem mehr als desolaten Zustand war.
Und auch „Love Chant“ wirkt beim ersten Hördurchgang etwas ambivalent. Aber hey, ich bin Fan der Lemonheads, seit ich das erste Mal „Confetti“ („It´s A Shame About Ray“ / 1992) gehört habe, da gibt man einem neuen Album seiner Lieblingsband auch zwei oder drei Hördurchgänge – was in diesem Fall wirklich hilft, denn Dando ist hier ein wirklich gutes „Comeback“ gelungen.
Nach Jahren des Schreibens, Umherziehens und Neuanfangs kehrt Evan Dando also mit „Love Chant“ zurück. Dando, mittlerweile nach Brasilien gezogen, hat sich für das Album mit alten Freund*innen umgeben. Die tolle Juliana Hatfield darf ebenso dabei sein, wie Dinosaur Jr.-Mastermind J. Mascis und der Australier Tom Morgan, mit dem Dando seit den frühen 1990er-Jahren Songs schreibt. Und wer weiß, vielleicht ist das Album auch deshalb so homogen und toll geworden, weil sich durch die Reihe alter Freund*innen einfach eine gewisse „Back To The Roots“-Stimmung breit machte.
Dass Dando nach all den Exzessen der vergangenen 40 Jahren immer noch so gut bei Stimme ist, beeindruckt mich dabei am meisten. Es ist so ein vertrautes Gefühl, wenn er Songs wie „The Key Of Victory“ oder „Cell Phone Blues“ singt und dabei klingt, wie der Posterboy, der er Anfang der 1990er-Jahre zweifelslos war. Auch wenn die Gitarre eigentlich ein bisschen zu dolle für den eigentlichen Song rockt („Wild Thing“), freut man sich ein bisschen, weil die Lemonheads immer auch ein Faible für E-Gitarren hatten.
Wenn man sich durch die Diskografie der Lemonheads hört, wird man natürlich zwei oder drei Alben finden, die in Gänze besser sind als „Love Chant“. Aber für ein Spätwerk ist diese Platte ein absolutes Ausrufezeichen, und man bekommt eine Idee davon, was für Dando vielleicht alles möglich gewesen wäre. Welchen Einfluss die Lemonheads auf die aktuelle Indiemusik hat, erkennt man übrigens auch an Künstlern wie MJ Lenderman, Courtney Barnett oder Waxahatchee, die Dandos Songs in letzter Zeit gecovert haben.
Was für ein tolles Album.

Band: The Lemonheads
Album: Love Chant
Label: Fire Records
VÖ: 24.10.2025
