Tanita Tikaram – LIAR (Love Isn’t A Right)

Ihr zehntes Album „LIAR (Love Isn’t A Right)“ zeigt knapp vier Dekaden nach „Twist In My Sobriety“, dem Millionen-Hit einer damals 18-Jährigen, einmal mehr, wie tief das musikalische und poetische Fundament der Singer/Songwriterin Tanita Tikaram tatsächlich reicht.

Wer die Sängerin immer noch auf ihren Nummer-Eins-Hit aus dem Jahre 1988 reduziert (so, wie der beschämte Autor dieser Zeilen bislang), hat nicht nur einen formalen Fehler begangen, sondern vor allem die spannende Entwicklung einer Ausnahmekünstlerin verpasst. Die in Münster geborene Britin begann ihre Karriere mit dem melancholischen Folk-Pop, der sie weltberühmt machte, erweiterte ihr Sepktrum auf den bis dato neun Alben aber schon bald um Soul-, Jazz- und Kammerpop-Elemente und steht heute für reife, fein orchestrierte Musik mit literarischer Tiefe und politischem Bewusstsein. Trademark zu jeder Zeit: ihr unverwechselbar düster-weicher Alt.

Einzigartige Stimme, außergewöhnliche Musikerin: Tanita Tikaram (Foto: Natacha Horn)

Dass „LIAR (Love Isn’t A Right)“ im Rahmen der Vorankündigung nun als Fortsetzung des 1988er Erfolg-Debüts „Ancient Heart“ hofiert wird, das besagten Signature-Song enthielt, ist tatsächlich mehr als nur ein Marketing-Schachzug: Zwar betont die Künstlerin standhaft, es handle sich mitnichten um ein musikalisches Sequel, eine thematische und sogar biografische Verbindung ist dagegen nicht von der Hand zu weisen: War „Ancient Heart“ die Stimme einer 18-Jährigen, die sich als queerer Teenager mit einem konservativen Umfeld konfrontiert sah, ist „LIAR“ die Reflexion derselben Person fast 40 Jahre später – ebenfalls fremdelnd, diesmal aber mit ihrem Land, ihrer Gesellschaft und der politischen Entwicklung.

Musikalisch bewegen sich die ausnahmslos getragen inszenierten Songs zwischen orchestralem Pop auf der einen und reduzierter Kammermusik auf der anderen Seite. Mal gibt es groß angelegte Streicher- und Bläsersätze, dann wieder fast minimalistisch arrangierte Parts aus Piano und Gitarre. Interessant auch Tikarams Sinn für ausgefallene Harmonik. Der starke Opener „Turn The Lights Down Low“, sorgt für einen regelrechten Schauer, und „Love Don’t Come Around“, vor allem aber „Love Isn’t A Right“ spielen derart mit dem Einsatz erweiterter Akkorde, dass sie auch gut aus dem Spätwerk eines Paul McCartney hätten stammen können. Zusammengehalten wird all das zum einen von der glasklaren und doch warmen Produktion und zum anderen natürlich von dieser einnehmenden und doch so rätselhaft distanzierten Stimme. 

Denn so markant der klangliche Wandel in Sachen Arrangement, Instrumentierung und kompositorischer Reife seit Tanita Tikarams Debüt auch ausfallen mag – jenes dunkle, samtene Timbre, das einst bei „Twist In My Sobriety“ für Erstaunen sorgte, trägt auch vier Jahrzehnte später noch. Und hat zumindest beim beschämten Autor großes Interesse an der gesamten Diskografie dieser Musikerin geweckt.

Artist: Tanita Tikaram
Album: LIAR (Love Isn’t A Right)
VÖ: 10.10.2025
Label: Cooking Vinyl / Indigo