The Gaslight Anthem – History Books: Short Stories

Dieser Tage wurde in der Crazewire-Redaktion noch fleißig diskutiert, welcher Stellenwert sogenannten EPs eigentlich zuzuschreiben ist. Für die einen sind sie nicht mehr, als lose Sammlungen zu weniger Songs, für die anderen sind es Releases, die mitunter den Impact eines ganzen Albums bereithalten können.

Von dieser Debatte sicherlich gänzlich unbeeindruckt haben The Gaslight Anthem gestern, als offensichtliches Spin-Off ihres aktuellen Albums „History Books“ (2023), ihre zweite offizielle EP „History Books (Short Stories)“ veröffentlicht, die vier von Butch Walker (u.a. Avril Lavigne, Pink und Hot Hot Heat) warm und voll produzierte Songs enthält.

Den Anfang macht – natürlich im Gaslight Anthem-Gewand – der Billie Eilish-Hit „Ocean Eyes“. Das Duett mit Karina Rykman, die hier vielleicht ein wenig zu kurz kommt, bleibt nah am Original, kann aber mit fetter Produktion, gesteigertem Tempo und einem Brian Fallon überzeugen, dem die Nummer, vielleicht auch auf Grund der ihm abverlangten stimmlichen Variabilität, großen Spaß zu machen scheint. Bedanken darf er sich (und dürfen wir uns) bei seinen Töchtern, die ihm die Nummer während einiger Autofahrten regelrecht aufdrängten.

Mit „Blue Jeans & White T-Shirts“ spielt die Band das Schlussstück der 2008er-EP „Señor And The Queen“, wie kurz zuvor live im Kölner Palladium vorgetragen, zusammen mit der bezaubernden Emily Wolfe (Dringende Empfehlung!) neu ein. Während die ursprüngliche Fassung sich in guter Gesellschaft von Songs wie „Here‘s Looking At You, Kid“ vom Hit-Album „The ’59 Sound“ befand, entspricht die neue Version in puncto Arrangement und Instrumentierung, aber auch in Bezug auf Fallons Stimme und Phrasierung deutlich dem aktuellen Zeitgeist der Band. So oder so ein tolles Beispiel für die grandiosen Midtempo-Nummern aus Fallons Feder.

Die zweite Hälfte der EP teilen sich die Accoustic-Versionen zweier Schlüssel-Songs des ursprünglichen Albums. Zum einen gibt es den Rocker „Positive Charge“ als Stripped-down-Version zu hören, zum anderen den Title-Track „History Books“, im Original zusammen mit Fallons Idol Bruce Springsteen eingesungen. In beiden Fällen zeigt sich, dass ein Song dann ein großer ist, wenn er auch auf ursprünglichste Akustikarrangements beschränkt besteht. „Positive Charge“ dringt in dieser Version vielleicht sogar näher zu seinem eigentlichen Kern vor, als die vergleichsweise pompöse Version des Albums und auch bei „History Books“ hievt das feine Zusammenspiel von Gitarre und Klavier in Kombination mit dem permanenten zweistimmigen Gesang das Stück auf ein neues Level. Für beide Darbietungen gilt aber vor allem: Ohne Fallons eindringliche Stimme wäre das alles nichts.

Die Ausgangsfrage über die Sinnhaftigkeit solcher Veröffentlichungen lässt sich in diesem kurzen Review nicht beantworten (und sie ist auch auf Redaktionsseite ungeklärt). Aufgrund der Tatsache aber, dass jeder einzelne dieser vier Songs eine Bereicherung darstellt und die Stücke in Summe von einer homogenen, dichten Produktion zusammengehalten werden, stellt das Resultat wohl definitiv mehr dar, als das, was früher eine „Für Kenner oder Sammler“-Rarität gewesen wäre. Love it. Deeply.

Band: The Gaslight Anthem
Album: History Books – Short Stories
VÖ: 22.03.2024
Label: Rich Mahogony Recordings