Telemark – input/out
Wütender Radau mit Anspruch und Köpfchen. Wer behauptet, dass Wut den Verstand grundsätzlich in Matsch verwandelt, der irrt. Sogar gewaltig. Anger is an energy, wenn Du weißt, wie Du sie kanalisierst. Telemark aus Duisburg scheint jemand mächtig verärgert zu haben.
Vielleicht wurde den Jungs wiederholt das Essensgeld abgenommen oder wer hat ihnen die Freundinnen ausgespannt, ich kann da nur raten? Vermutlich ist es aber etwas Größeres, das sie dazu bringt, das zu tun, was sie tun: Wütenden Post-Punk spielen, der ordentlich auf die Kacke haut, ohne sich in dumpfbackigem Hauruck-Quatsch zu verlieren. Die kleine Popbitch, die in mir wohnt, assoziiert im ersten Augenblick Kraftklub, Casper und es gäbe Schlimmeres, behielte sie recht. Aber dann höre ich weiter, lasse mich ein und erkenne ihren Irrtum. Telemark flirten mit der hellen Seite der Neuen Deutschen Welle, jenem heute völlig zu unrecht verkanntem künstlerischen Ausbruch der frühen Achtziger. Fehlfarben auf Speed.
Ist möglich, ich überinterpretiere, aber Cabaret Voltaire könnten Pate gestanden haben für die kleinen elektronischen Spielereien, die auf „input/out“ ihren Platz zwischen Brettgitarren und Joy Division-Bässen finden. Ein zackiger Sequenzer hier („Jammer Jamma Hey“), eine kleine Keyboardmelodie da („Kopfreiniger“). Willkommenes Gezwitscher in der lärmigen Betonwüste. Die Vocals sind mehr Sprech-als Gesang. Viel intensives Gebrüll und Texte, die Tonnen wiegen, anklagen und infrage stellen. Zweifelsohne, Telemark sind wütend, regelrecht angepisst, ich komme nur nicht so richtig dahinter, warum und auf wen. Auf die Welt? Das System? Desillusioniert vom Leben an sich? Das wäre doch in der Summe irgendwie Bauwagenplatzhippiescheiße. Das P.I.L.-Zitat im Refrain von „Kaputte Köpfe“, eine rettende Insel in einem Meer aus Schmerz und Verwirrung. Danke.
Zu behaupten, dass „input/out“ beim Hören Spaß bereitet, ginge an der Wirklichkeit vorbei und ich unterstelle, dass Telemark das so wollen. Es ist mehr ein intensives, aufrüttelndes Erlebnis jenseits der verschnarchten Pfade, auf der sich deutschsprachige Musik im neuen Jahrtausend verlor. Ich möchte allen Beteiligten eine Zusammenarbeit mit der großartigen Kölner Gruppe „Komplizen der Spielregeln“ vorschlagen. Soviel euch trennt, um so mehr verbindet euch. Jetzt bin ich wütend, ohne zu wissen, auf wen. Geiler Scheiß.
Album: Telemark – input/out