Indie Daze 3 (EMF, Jim Bob u.a.) – Live in London (01.10.2016)
Das Indie Daze-Festival geht in die dritte Runde und kann auch 2016 wieder im einem absolut großartigem Line up aufwarten – wenn man denn auf die britische Musik der frühen 1990er-Jahre steht. Mit EMF, Echobelly, Pop Will Eat Itself und Jim Bob von Carter USM kann man offensichtlich auch 2016 in England nichts falsch machen. Zumindest ist das Kentish-Forum in London ausverkauft.
Die ersten drei Bands, habe ich leider verpasst. Ob es allerdings nämlich eine so schlaue Idee gewesen ist, sich das St.Pauli Spiel in einem Pub am anderen Ende der Stadt anzugucken, während im Forum bereits die ersten Bands auftreten, kann nach der 0:2 Niederlage auf jeden Fall verneint werde. Egal, um 16:45 Uhr werfen wir uns ins Getümmel, mit einem Einweg-Plastikbecher (was für eine scheiße) in der Hand wollen wir doch mal sehen, wie sich ein mit einer Akustikgitarre bewaffneter Jim Bob von den grandiosen, aber mittlerweile wohl endgültig aufgelösten Carter USM, gegen 2.000 schon ziemlich angeheiterte Briten durchsetzt. Als alter Fan dieser Band kann ich nur sagen, dass er es großartig macht. Songs wie „The Only Living Boy In New Cross“, „Sheriff Fatman“ oder „Billy’s Smart Circus“ werden von der ganzen Halle mit gesungen und sorgen für Gänsehaut-Feeling.
Welchen Stellenwert diese Band in England hat, wird man hier in Deutschland weiterhin nur erahnen können. Heute haben gefühlte 300 Besucher Carter USM-Shirts an. Zum Teil handsignierte Shirts, die 25 Jahre alt sind. Irgendwie ist das alles so bescheuert, dass es schon wieder cool ist.
Danach dann Pop Will Eat Itself. Auch diese Band erfreut sich offensichtlich immer noch großer Beliebtheit. Ich mochte die für eine Kurze Zeit sehr gerne, finde aber alles, was die Band nach 1997 veröffentlicht hat nicht wirklich gut. Und so fallen auch die Publikumsreaktionen an diesem Abend aus. Bei alten Songs wie „Ich bin ein Ausländer“ oder „Everything’s Cool“ fliegen die ersten Crowdsurfer durch die Luft. Überhaupt zeigt sich das Publikum extrem bewegungsfreudig. Mir ist der Sound zu Beginn viel zu schlecht. Außerdem hüpfen die beiden Sänger eher überambitioniert auf der Bühne umher. Dazu kommt ein Drummer, der konsequent vom Bassisten Zeichen bekommen muss, wann Wechsel oder Breaks kommen. Geht leider auf Kosten der Dynamik. Aber sei es drum. Gegen Ende kommen zwei Gründungsmitglieder der Band auf die Bühne, um eine handvoll alter Hits zu spielen. Steigert die Laune ist Alles in allem aber nicht mehr als eine schöne Erinnerung.
Ob der Veranstalter die Fans-Base von Echobelly überschätzt hat, oder den tanzwütigen End-Dreißigern im Publikum eine Pause gönnen will, man weiß es nicht. Echobelly machen ihren Brit-Pop späterer Stunde zwar ganz gut, aber so richtig zünden mag das alles nicht. Irgendwie tun mir die drei Musiker und die Sängerin Sonya Aurora Madan ein bisschen leid. Die Halle ist urplötzlich halbleer und nur eine handvoll Fans bemühen sich um Stimmung vor der Bühne. Aber den Gesichtern der Musiker kann man doch ansehen, dass das da oben auf der Bühne keinen großen Spaß macht.
Um kurz vor 22 Uhr kommen dann EMF auf die Bühne. Wer hier häufiger mitliest, der weiß, dass ich großer Fan bin. Seit 25 Jahren höre und liebe ich diese Band. Nach einem Konzert im Vorprogramm von Carter USM in der Brixton Academy 2008 und einem charmanten Auftritt in Gloucester darf ich diese Band nun zum dritten Mal sehen. Und wirklich, die Euphorie der Band auf der Bühne, und das bedingungslose Abfeiern des Publikums vor der Bühne macht diesen Abend zu einem der besten Konzerterlebnisse meines Lebens (kein Scheiß, das war wahnsinnig gut). Sofort wird klar, warum EMF in den 1990-Jahren den Ruf einer großartigen Liveband inne hatten. Und so gut die Konzerte waren, die ich vorher von der Band gesehen habe, heute passt einfach alles und stellt die beiden anderen Gigs absolut in den Schatten.
Zum 25. Geburtstag ihres Debütalbums „Schubert Dip“ hauen die Jungs um Sänger James und Keyboarder Derry einen Hit nach dem anderen raus. Das Publikum tanzt, singt und hüpft, als wäre es noch einmal 16. Auch ihr zweites Album „Stigma“ findet sich in der Setlist wieder, was den Verfasser dieser Zeilen zwischenzeitlich unfassbar glücklich macht. Ich könnte jetzt noch lange darüber schreiben, wie gut diese Band heute Abend ist, wie toll der Sound, wie sympathisch und euphorisch die Musiker untereinander auf der Bühne agieren, oder dass man zum Finale noch mal Jim Bob und die halbe Pop Will Eat Itself-Crew auf die Bühne holt. Da in Deutschland aber maximal „Unbelievable“ im allgemeinen Gedächtnis geblieben sein dürfte, verbleibe ich mit dem Hinweis, dass EMF auch 2017 Konzerte spielen werden und das Indie Daze im Oktober 2017 zum vierten Mal stattfinden wird. Eine Reise dürfte beides wert sein.
Video: EMF – „Children“