K’s Choice – Köln, Bürgerhaus Stollwerck (8.10.2025)
Die belgische Indie-Band K’s Choice feiert mit einer exklusiven Deutschland-Show den 30. Geburtstag ihres Erfolgs-Albums „Paradise In Me“ und nimmt knapp 600 gut gelaunte Kölner mit auf eine Zeitreise voller Ausgelassenheit und Gänsehaut.
Als ich 1996 zu meiner damaligen Freundin und heutigen Frau in meine erste Stadtwohnung zog, prangte an der Toilettentür am Ende des Flurs bereits ein großes sepiafarbenes Plakat, das neben lustigen Knubbelköpfen der Schriftzug „K’s Choice – Paradise In Me“ zierte. Was es damit auf sich hatte, sollte ich fortan bei jedem abendlichen Kochen, bei freitäglichen Party-Warm-Ups oder bei heimatlichen Eifelfahrten in einem alten Golf I schnell und nachhaltig lernen: Songs wie „Not An Addict“, „Mr. Freeze“, „A Sound That Only You Can Hear“ oder eben „Paradise In Me“ wurden zu ständigen Begleitern – und waren 1996/1997 mal mindestens the soundtrack of our lives.
Warum ich das so detailliert ausführe? Weil es genau diese Bilder waren, die die gestrige Show heraufbeschwor. Und besonders Deep Cuts wie „White Kite Fauna“ oder „Iron Flower“ – Songs, die eben nicht jahrelang zunächst auf Tapes, später auf Playlists landeten – überfielen mich dabei hinterrücks und katapultierten mich mit gedachten „Ach jaaaaa!“ in die scheinbar sorgenfreie Zeit meiner frühen Zwanziger zurück. Und wenn ich die vielen herzlich lächelnden Gesichter der tanzenden Zeitgenossen im vollen Stollwerck nicht völlig falsch gedeutet habe, flackerten vor dem inneren Auge der meisten Zuschauenden ebensolche Bilder. Aber der Reihe nach…

Die Brüder Brent Buckler und Sander Cliquet eröffneten den Abend beeindruckend als The Radar Station.
Den Abend eröffnet die belgische Band The Radar Station – oder besser: deren Rumpf-Zwei. Denn die Bühne betreten nur die beiden Masterminds der eigentlich fünfköpfigen Indie-Formation, die Brüder Brent Buckel und Sander Cliquet. Ein vollständiges Line-Up lassen diese beiden allerdings auch zu keiner Zeit vermissen – im Gegenteil: In einem halbstündigen Set verzaubern sie mit ausgeklügelten Gesangsharmonien und dem Wechselspiel lediglich zweier Saiteninstrumente (Sander mit der E-Gitarre im Lead, Sänger Brent begleitend mit kleiner Akustikgitarre, großer Rickenbacker oder zweiter E-Gitarre) das aufmerksame und wohlwollende Publikum. Diese besondere Singer/Songwriter-Performance ihres Indie-Rocks kommt an, davon zeugen nicht nur lautstarke Jubelrufe im Applaus sondern auch etliche Vinyl-Verkäufe ihres 2024er Albums „Birds Of Choice“ nach der Show. Gut so! Ich habe auch zugegriffen und werde berichten.
Nach kurzer Umbaupause entern K’s Choice dann, für ein Publikum im besten Alter ausreichend spät, um 21:30 Uhr als sechsköpfige Band und unter frenetischem Jubel die Bühne. In den gut einstündigen Hauptteil des Abends führt – natürlich – der „Paradise In Me“-Opener „Not An Addict“, war doch die vollständige Performance dieses Albums als Kern der Show angekündigt worden. Und das Publikum ist sofort da, erwidert den geseufzten Einstieg, klatscht rhythmisch und singt inbrünstig mit. Der Sound ist dicht und dennoch klar, die Gitarren dürften allerdings, vor allem wenn der Song nach etwa zwei Minuten aufmacht, lauter sein. (… ein Mini-Manko, das sich durch den Abend zieht.)

K’s Choice wurden wärmstens empfangen und gaben an einem stimmungsvollen Abend alles zurück.
Dramaturgische Überraschungen kann es bei vorgegebener Setlist heute schwerlich geben, einer ausgelassenen Geburtstagsparty steht das aber nicht im Wege. Alle sind hier, um den Jubilar Takt für Takt zu feiern. Sänger Sam Bettens, den wir in den Neunzigern als Sängerin Sarah Bettens kennenlernten, ist Zentrum und Sprachrohr der Band und steht den ganzen Abend über in engem Kontakt zum Publikum, während sich seine Bandkollegen rund um Bruder Gert in lächelndem Stillschwiegen üben. Es sei auch für die Band, die bis 2018 insgesamt zehn Alben veröffentlicht hat, eine Reise in ihre Jugend, sagt Sam, und man sei unendlich froh darüber, die kleine Geburtstags-Tour (die die Band außerdem durch Belgien, die Niederlande und nach Paris führte) ausgerechnet in Köln beenden zu dürfen. „Dass Ihr hier nach all den Jahren noch genau wisst, wer wir sind, bedeutet uns alles“, sagt er und die freundlich nickenden Köpfe der übrigen Band lassen mich ihm glauben.

Zeitreiseleiter Sam Bettens führte sympathisch und aufgeschlossen durch die Show.
In einem steten Wechsel aus oben genanntem Neunziger-Indie-Rock und wirklich anrührenden Balladen wie „Song For Catherine“ oder „Dad“ biegt das Set mit dem Brecher „Old Woman“ fürs Erste auf die Zielgerade. Das herrlich selbstironische „Something’s Wrong“ bildet den Abschluss – nicht ohne dass Transmann Sam lächelnd erwähnt, dass wohl nicht jede seiner Zeilen den Test der Zeit bestanden hat. Es sei in den Augen der Band nicht etwa „something wrong“ sondern längst selbstredend alles völlig in Ordnung, „if your girlfriend’s got a penis“.
Unter regelrechtem Getöse verlässt die Band, schon jetzt sichtlich gerührt, die Bühne um nur wenige Minuten später für die Performance von vier weiteren Songs an den Ort des Geschehens zurückzukehren. Zu meiner großen Freude handelt es sich mit „Everything For Free“, „Believe“ und dem zauberhaften „If You’re Not Scared“ dabei vor allem um Songs von „Cocoon Crash“, 1998 mein Lieblingsalbum der Lieblingsband meiner Freundin. Für den sechsminütigen Instrumentalbrocken „We are Glaciers“ kehrt die Band auch ein drittes Mal auf die Bühne zurück, ehe sie diese unter ausuferndem Beifall zum letzten Mal verlässt.

Das kongeniale Duo hinter K’s Choice: Die Brüder Sam und Gert Bettens, ebenso zufrieden, wie ihr Publikum.
Zwei Stunden Livemusik in familiär-frenetischem Setting liegen hinter uns. Eine Location die mit vielen Kleinigkeiten für einen entspannten Rahmen sorgt (Danke, Stollwerck!), ein Support der neugierig macht und ein Main-Act, dem es mit Sympathie, spielerischem Können und Empathie ohne übertriebenen Pathos anderthalb Stunden lang gelingt, uns alle in Erinnerungen an vermeintlich bessere Zeiten schwelgen zu lassen. What a night!