Sting – 57th & 9th

Als Sting sich nach Jahren voller Eskapaden entschloss, wieder ein rockiges Album zu machen, wuchsen die Erwartungshaltungen gen Himmel. Endlich wieder Zerbrechlichkeit und Felder aus Gold! Und siehe da, die Vorabsingle „I Can’t Stop Thinking About You“ gefiel. Ein treibendes Gitarrenpicking, marschierendes Schlagzeug, hymnischer Refrain. Natürlich klingt sie nach The Police, was aber nicht überraschen sollte, immerhin war Sting dort Sänger und Bassist, aber das kann ja nicht jeder wissen.
Bei einem Veteranen wie Sting ist es unmöglich, ein neues Album nicht im Vergleich zum Lebenswerk zu hören, zumindest mir nicht. Ist „57th & 9th“ ein gutes Album? Ja, zweifelsohne, dennoch eines der schwächeren von Sting. Jazziges findet diesmal wenig bis kaum statt. Auch der Ethno tritt in die zweite Reihe. Betrachtet man das Cover, ein überraschend jung aussehender Sting in den Straßen von New York (?), den Bass geschultert, suggeriert das eine musikalische Heimkehr, welche tatsächlich stattfindet. Viel Triosound, gerade Grooves statt Schnörkel, rockige Gitarren und klassische Songstrukturen. Die Zutaten stimmen, doch schmeckt das Ergebnis zu meinem großen Bedauern etwas fad. Das liegt zum einen daran, das „I Can’t Stop Thinking About You“, der stärkste Song des Albums, selbiges eröffnet. Dieses Pulver wäre verschossen. Das anschließende „50,000 (NEW Version)“ beginnt mit vielversprechenden zwei Akkorden im epischen U2-Gewand, nimmt jedoch in der Strophe den Fuß vom Gas und endet in einem uninspirierten Fadeout.
Wenigstens der Refrain ist groß. „Down, Down, Down“ und „One Fine Day (NEW Version)“, Sting at its best, eindringliche zeitlose Popsongs mit der eigenen, unverwechselbaren Handschrift. Wie sehr ersehne ich mir mehr davon. Die übrigen sechs Lieder ziehen jedoch recht unbeeindruckend an mir vorüber. „Pretty Young Soldiers“, eine Remineszenz an das eigene Frühwerk, startet mit einem sehr eigentümlichen Gitarrenriff, schunkelt sich danach zum Schluss, ohne Spuren zu hinterlassen. „Petrol Head“, fieser Rock mit unnötigen Soundspielerein, welche Modernität vorgaukeln sollen, die gar nicht nötig wäre. „Heading South On The Great North Road“, eine gefühlvolle Ballade mit akustischer Gitarre. „If You Can’t Love Me“ beginnt mit einem betörenden Gitarrenpicking. “If You Can’t Love Me This Way Then You Must Leave Me”, singt Sting eindringlich. So einfach, so wahr. Ein spannender, unterschwellig energetischer Song kurz vor der Explosion. Der Geist des Orients wird in „Inshallah“ heraufbeschworen. Dies gelingt Sting gut, ohne sich in Weltmusik Kitsch zu verrennen. „The Empty Chair“, ein ruhiger Schlusspunkt, wo mehr Aufregung gefragt gewesen wäre.
„57th & 9th“ erscheint mir, ganz im Gegensatz zu den meisten Arbeiten von Sting, mehr wie eine heterogene Mischung von Liedern, als wie ein in sich geschlossenes Album mit rotem Faden. So verliert es mich unterwegs, gewinnt meine Aufmerksamkeit für Momente, nicht jedoch über die gesamte Distanz. Das bedauere ich ungemein. Bis zum nächsten Mal, Sting!
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Sting – I Can’t Stop Thinking About You