John K. Samson – Winter Wheat

Vor 15 Jahren besuchte ich die Rheinkultur in Bonn und hatte einen der besten Festivaltage aller Zeiten. Angereist war ich vor allem für Ash sowie Incubus und Jimmy Eat World, die ärgerlicherweise zeitgleich im strömenden Regen spielten (für die Entscheidung, die Kalifornier vorzuziehen, trete ich mich heute noch regelmäßig innerlich in den Hintern).
Das wahre Highlight waren aber diese unglaublich sympathischen Kanadier, die am frühen Nachmittag auf der nur spärlich besuchten roten Bühne auftauchten, und von denen ich vorher noch nie gehört hatte. Von diesem Tag wurden die Weakerthans treue Begleiter für mich. Mit „Left and Leaving“ lieferten sie mir das ultimative Liebeskummeralbum, mit „Plea from a Cat named Virtute“ schlichtweg einen der besten Songs, der jemals geschrieben wurde.
Ich habe wunderbare Erinnerungen an fantastische Konzerte, an Feiern, auf denen mit Inbrunst „One Great City“ gegrölt wurde und daran, wie eine Freundin mir beim Fest van Cleef in Bonn erzählte, dass sie John K. Samson so liebenswert findet, dass sie ihn gerne in Cellophan verpackt in ihr Zimmer stellen würde (retrospektiv eine ziemlich gruselige Aussage, aber der Grundgedanke war irgendwie putzig).
Nach „Reunion Tour“ im Jahr 2007 passierte nicht mehr viel, bis auf ein Livealbum, und spätestens nach Erscheinen von Samsons erstem Soloalbum deuchte dem geneigten Fan schon, dass es eventuell schlecht aussieht mit neuem Material der Band. Die endgültige Trennung kam im vergangenen Jahr, die Ankündigung von Samsons zweiter Soloplatte folgte kurz darauf. Mit an Bord sind mit Jason Tait und Greg Smith ein Großteil der Weakerthans, und tatsächlich verlässt er musikalisch die bewährten Pfade eher selten.
Wenn er nicht gerade dem vielleicht größten kanadischen Künstler Neil Young wie in „Vampire Alberta Blues“ huldigt, ist alles dabei, was man von seiner Band schon liebte, ob superreduzierte Akustikgitarrenballaden oder schnellere Indiehits mit vollem Bandsound wie „Postdoc Blues“. Seine große Stärke, das Geschichtenerzählen, hat er natürlich auch nicht verloren: in „Oldest Oak at Brookside“ gibt er einen Abriss der Geschichte seiner gehassliebten Heimatstadt Winnipeg, und „Fellow Traveller“ basiert auf dem Leben von Doppelagent Anthony Blunt, aber auch Alltagsgeschichten fiktiver Personen beleuchtet er gewohnt greifbar und farbenfroh. Dabei bleibt er so „hopelessly hopeful“ wie er es schon im Jahr 2000 war, und das warme Gefühl beim hören ist auch wieder da. Besonders schön ist es, dass er mit „17th Street Treatment Centre“ und „Virtute at Rest“ den Protagonisten der beiden „Virtute the Cat“-Songs der Weakerthans ein melancholisch-schönes Happyend gibt. Ein Album für Weakerthans-Nostalgiker und welche, die es noch werden möchten – was sag ich, müssen!
Video: John K. Samson – „Postdoc Blues“