Nachbericht: Hurricane Festival 2016

Donnerstag gegen 12 Uhr machten wir uns von Düsseldorf auf den Weg nach Scheeßel. Das klapprige Auto war vollbepackt mit Bier, Lebensmitteln und natürlich dem „Hurricane“-Autoschild. Zum einstimmen rappten wir auf dem Weg die aktuelle Seeed-Platte durch – so circa sechs mal. Top Laune also.
Diese gute Laune konnte nicht einmal getrübt werden, als wir kurz nach Ortseingang Scheeßel im Stau standen. Und das für ganze fünf Stunden. Wir waren also erstaunliche zehn Stunden unterwegs, bewegten uns auf den letzten neunzehn Kilometern, wenn überhaupt, im Schneckentempo. Wir freuten uns aber, dass wir unsere Bändchen auch noch weit nach Ende der üblichen Öffnungszeiten des Stands bekommen konnten. Es ging auf zum Campingplatz und wieder waren wir etwa eine halbe Stunde unterwegs und trafen dabei viele Orientierungslose Besucher, die nach Wegen oder Beschilderungen fragten.
Kaum haben wir unser Wurfzelt aufgestellt, fing es an zu nieseln. Da wir so motiviert waren die ersten Festivalmomente aufzusaugen begaben wir uns umgehend zur Warm Up Party an der White Stage. Unseren Favoriten Romano haben wir natürlich verpasst. Großstadtgeflüster heizten der Menge jedoch ordentlich ein und ließen uns die unbequeme Anfahrt vergessen. Natürlich wurde der Regen von Minute zu Minute stärker, so dass wir uns irgendwann entschieden die Segel zu streichen. Auf dem Weg zum Zelt wurden wir nass bis auf die Knochen und suchten Schutz im großen Duschzelt auf dem Campingplatz. Aus dem Regen wurde Gewitter und daraus ein Unwetter epischen Ausmaßes. Für alle Norddeutschen Besucher war es wahrscheinlich nur halb so wild. Wir hingegen mussten nach dieser Erfahrung einfach nur schlafen.
Freitagmorgen grillten wir zum Frühstück und hatten tierisch Bock darauf bei Royal Republic, The Hives, Turbostaat und Rammstein ganz vorn mitzumischen. Die bärtigen Schweden von Royal Republic konnten uns auf dem Hurricane erneut überzeugen. Obwohl die neuen Studioproduktionen nicht mehr die saustarke Linie der ersten Platte „We Are The Royal“ aufweisen, sind sie live immer noch der Burner.
Gegen 18 Uhr musste das gesamte Infield des Hurricane Festivals evakuiert werden, da mehrere Gewitterzellen auf Scheeßel zusteuerten. Alle Besucher wurden angewiesen sich in ihre Autos zu begeben und CampFM zu hören, um auf dem aktuellsten Stand zu sein. Die Moderatoren des hauseigenen Radiosenders machten mit herrlichen Flachwitzen und guter Musik Stimmung in den langweiligen Zeiten des Wartens.
Um 20:30 Uhr ging der offizielle Betrieb dann mit „Genetikk“ an der Blue Stage los, für uns allerdings erst um 20.45 Uhr bei The Hives an der Green Stage. Es ist das erste Mal, dass wir die Könige des Indie live sehen dürfen. Den Sound stellten wir uns etwas aussagekräftiger vor, denn von Weitem erkannte man nur schlecht, dass es sich bei dieser Kapelle um The Hives handelt. Bei bekannten Songs wie „Won’t Be Long“ mussten wir natürlich das Tanzbein schwingen und die Stimmbänder strapazieren. Umgehend ging es an der Blue Stage mit Annenmaykantereit weiter. Wären die Kölner nicht so verdammt laut gewesen, hätten wir uns die Show mit Sicherheit nicht angesehen, denn das ewig gleiche Gedudel der Scheibe „Alles Nix Konkretes“ fing schon kurz nach der Veröffentlichung an zu nerven. An der Red Stage rockten derweil Turbostaat die Bühne. Als Opener knallten sie uns „Insel“ (bekannt als: „Husum, verdammt!“) um die Ohren. Das Potpourri alter, neuer, bekannter und Unbekannter Tracks war ein Selbstläufer und wir verdammt glücklich. Da wir weder Trailerpark noch Feine Sahne Fischfilet auf unseren Plänen stehen hatten, nutzen wir die Zeit, um uns das kulinarische Angebot zu Gemüte zu führen. Sofort wussten wir, dass es an der Zeit ist den unglaublich skurrilen Lachsdöner zu probieren. Für 7,50 € bekamen wir ein klassisches Dönerbrot mit Salat, Rotkohl, Krautsalat und zertifiziertem Lachs mit Remoulade oder Honig-Senf-Dill-Sauce. Verdammt lecker und eine gute Alternative zur Dose Ravioli oder einer unterfrittierten Pommes.
Um 00:15 Uhr begannen Rammstein mit ihrer Show. Der Headliner des Abends ließ sich nicht lumpen und bescherte uns eine ordentliche Pyroshow nachdem die Fotografen den Graben verließen. Ein persönliches Interesse an den Texten oder den Bandmitgliedern gab es von unserer Seite nicht, aber die Sensationsgeilheit wurde befriedigt.
Der Samstag dürfte allen interessierten Lesern bereits bekannt sein. Der Showstart wurde etwa fünf Mal nach hinten geschoben und sollte um 20 Uhr steigen. Das Programm auf der Red Stage musste vorab komplett abgesagt werden, da das Infield an dieser Stelle zum betreuten Ertrinken geeignet war. Einsatzkräfte der Feuerwehr, des THW und der Polizei ackerten den gesamten Tag. Große Teile des Infields mussten abgepumpt werden und die Gruben im Schlamm aufgefüllt werden. Leider kamen weitere, starke Regenfälle hinzu und das Festival musste einen gesamten Tag ausfallen. Besonders traurig waren wir, weil wir uns extremst auf The Prodigy und die beiden Schweizerinnen von Boy gefreut haben. Wir entschieden uns eine Runde über den Campingplatz zu gehen und der feiertwütigen Meute beim Schlammsurfen zuzusehen. Im Anschluss sahen wir uns die Übertragungen der verschiedenen Fußballspiele an.
Obwohl wir uns kurz überlegt haben vorzeitig nach Hause zu fahren, blieben wir in der Hoffnung auf besseres Wetter. Petrus ging steil und bescherte uns dann auch glücklicher Weise Sonne, Sonne, Sonne!
Der gesamte Sonntag konnte von den anwesenden Bands bespielt werden. Die Besucher auf dem Infield waren unfassbar glücklich und feierten jeden anwesenden Act als wären sie ein Headliner. Unser Tag begann um 14 Uhr mit Børns an der Green Stage. Der androgyne Senkrechtstarter entzückte das Publikum mit seinen sanften Klängen und seiner angenehmen Bühnenpräsenz. Wir sind definitiv Fans des 24 Jahre jungen US-Amerikaners. Direkt im Anschluss rockten The Subways die „unterkonzerteten“ Festivalbesucher. Für gerade einmal drei Bandmitglieder kam die Party erstaunlich schnell und gut in Schwung. Die Herren der Schöpfung waren natürlich besonders von der aussagekräftigen Frauenquote begeistert. Die Damen kamen im Anschluss bei Wanda an der Blue Stage auf ihre Kosten. Nicht gerade unser Highlight, aber ein durchaus sympathischer Act mit einer großen Fandgemeinde. Es wurde erneut Zeit das gastronomische Angebot unter die Lupe zu nehmen und es gab handgemachte Käsespätzle. Salzig, fettig, üppig – müssen wir mehr erzählen?
Auf dem Infield gab es einen H&M PopUp Store mit ultimativer Festivalkleidung. Leider gab es diese nur für Mädels und wirklich überzeugen konnte uns diese Kollektion auf den ersten Blick auch nicht. Bei Firestone hingegen konnte man in der Sonne vor einem kleinen DJ-Pult abdancen und sich einen gratis Sonnenhut mitnehmen – cool!
Entspannt ging es an der Green Stage weiter zu Bloc Party. Von entspannter Berieselung bis zur Extase war unter den Zuschauern alles mit dabei. Aussagekräftige Musik und eine reduzierte Lightshow überzeugten auch uns sehr schnell vom Erfolgskonzept der Band. Was wäre das Hurricane nur ohne die Lokalmatadore Deichkind? Remmidemmi, Bierschläuche und Eskalation gehören zum Standardprogramm der norddeutschen Band. Um der Show ein Wenig Varianz zu verleihen wurden mehrere Tracks anderer Künstler eingespielt. „Dark horse“ von Katy Perry und „Thriller“ von Michael Jackson sorgten beim Publikum für erstaunte und gleichzeitig belustigte Gesichter. Die Dauergäste des Festivals ließen es sich natürlich nicht nehmen ihre Stagetime ein wenig zu verlängern, sodass der Headliner Mumford And Sons erst eine Viertelstunde später auf die Bühne konnte. Die US-amerikanischen Folkmusiker hatten das Hurricane Festival bereits beim ersten Akkord in ihrem Bann. Schon als zweites Lied spielten sie ihren Hit Little Lion Man und die Menge tanzte fröhlich miteinander. Die Setlist war eine Mischung aus allen drei Alben und fand seine Höhepunkte bei allen Songs des ersten Albums „Sigh No More“. Sänger Marcus Mumford ließ es sich nicht nehmen kleine Headliner-Allüren heraushängen zu lassen. Nach einem kurzen Solo an den Drums schmiss er diese in Einzelteilen quer über die Bühne, um als Finish einen Schmusesong mit rockigen Akzenten zu spielen.
Alles in allem war das 20. Jubiläum des Hurricane eine sehr schöne Erfahrung. Der Schaden des Veranstalters FKP Scorpio wird auf etwa 20 Mio. Euro geschätzt – da können wir froh sein, dass wir nur einen Tag keine Konzerte sehen konnten. Trotz der Unwetter gab es keine großen Verletzungen und nur etwa 75 Einsätze des Deutschen Roten Kreuzes. Wir freuen uns, wenn wir im nächsten Jahr wieder dabei sein können.
Video: The Hives – „Hate To Say I Told You So“