City and Colour – If I Should Go Before You

Als ich 2006 meine ersten Erfahrungen mit dem Internet sammelte, YouTube und MySpace sich gerade stetig zu den Quellorten neuer musikalischer Einflüsse erschlossen und somit meine Persönlichkeit wohl bis heute maßgeblich geprägt haben, da stieß ich plötzlich auf diese eine Single… „Coming Home“ von City and Colour. Diese Stimme, diese Einfachheit, dieser perfekte Song begeistern mich. Zumal Singer/Songwriter gerade ohnehin total mein Ding sind. aber dieser Kerl, der macht es irgendwie anders, irgendwie besser.
Ich hatte also gerade Dallas Green alias City and Colour entdeckt. Klein, jung und grün hinter den Ohren war mir natürlich nicht bewusst, dass dieser ebenso Gitarrist der Post-Hardcore-Kapelle Alexisonfire war, die ich musikalisch ansatzweise zu kennen glaubte. Der Großteil meines Wissens beschränkte sich jedoch auf die Merch-Artikel im EMP-Katalog.
Von nun an verfolgte ich nahezu jedes Veröffentlichung des Kanadiers mit absoluter Begeisterung, die ihren Höhepunkt (bis jetzt) in dem 2011er-Album „Little Hell“ findet. Green wagt sich hier erstmalig weg von den reinen Klängen seiner Ein-Mann-Show und experimentiert zusammen mit einer Band, verstärkten Instrumenten, ordentlich Hall und Distortion, ohne dabei aber seinen gewohnten Sound vollkommen zu verlieren.
Auf dem Nachfolger „The Hurry & The Harm“ intensiviert er diese Experimentierfreudigkeit deutlich und verliert leider den Bezug zu den Wurzeln und Klängen des Anfangs, auch der Gesang hat erschreckend viel Seele verloren und lässt Herzblut und Hingabe in vielen Teilen vermissen. Gründe hierfür könnten der rasant wachsende Erfolg und sein Austritt bei Alexisonfire sein – zu viel Zeit für zu viel… Zeug. Das Album klingt nicht mehr wie „Früher“, Dallas klingt müde und ideenlos.
Das nun erscheinende neue Album „If I Should Go Before You“ klingt nach dem ersten Hören wie eine lieblose Fortsetzung des Vorgängers. Hits sucht man erst einmal vergebens und der Opener „Women“ eröffnet mit trägen, kryptischen Gitarrensounds und einer Hommage an die Frau. Ähnlich träge setzt sich der Aufbau fort, „Northern Blues“ klingt nach einem dieser mittlerweile bekannten „neuen“ City and Colour Songs, „Mizzy C“ geht in den Strophen musikalisch etwas unter, öffnet sich jedoch im Refrain sehr schön bleibt aber letztlich auch ein kaum nennenswerter Song. Erst nach dem zweiten Hören entpuppen sich Songs wie „Lover Come Back“ oder „Map Of The World“ als heimliche Radiohits und senden neben häufigen düsteren Harmonien sogar ein paar Glücksgefühle aus.
Was stets bleibt und immer schon gewesen ist, ist die Einzigartigkeit des Gesangs, nicht nur der Klang der Stimme sondern auch die melodischen Gesanglinien. Die hört man in dieser Form von kaum jemandem anderem. Berücksichtigt man zudem, dass Greens Musik nach wie vor zum Tagträumen verleitet, er ein perfekter Gitarrist ist und es schafft aus seinen Folk-Wurzeln in Kombination mit Slice-Gitarren, lässig gespielten Schlagzeug und einer Fülle an Harmonieinstrumenten immer wieder eine vollkommen eigene Atmosphäre zu schaffen, ist auch „If I Should Go Before You“ musikalisch ein herausragendes Album.
Video: City and Colour – „Lover Come Back“