Hot Chip – Why Make Sense

Hot Chip sind mir vor einigen Jahren zum ersten Mal untergekommen, als das geschätzte Intro Magazin sie zum neuen heißen Scheiß erklärte. Ich war irritiert: Die Jungs sahen aus wie Milhouse van Houten (Bart Simpsons bester Freund, muss man das noch erklären?), wollten aber die Ballkönigin zum Tanz auffordern. Ein mir neues Modell von Coolness schien geboren.
Offensichtlich war die Zeit reif für Menschen auf der Bühne, die aussehen wie Menschen vor der Bühne – mal wieder. Es folgten umjubelte Auftritte beim Melt, einem Festival, von dem ich bis heute nicht verstanden habe, wo es überhaupt stattfindet, Chartplatzierungen und konstanter Erfolg jenseits des ganz großen Durchbruchs, zumindest außerhalb des britischen Königreichs. Jahre sind vergangen und heute sind wir alle ein bisschen Milhouse (der Schreiber rückt die schwarze Hornbrille auf seiner Nase zurecht). Was bleibt nach der Irritation?
Ob „Why Make Sense?“ mit dem zeitlosen Meisterwerk „Stop Making Sense“ von den Talking Heads zu tun haben soll, finde ich nicht heraus. Wahrscheinlich aber nicht, denn der Infotext des Labels teilt uns zum Titel des Albums mit (Zitat): „Die Fragen auf ‘Why Make Sense’ sollte sich eigentlich jede Band stellen, die sich ernsthaft mit ihrer Zukunft beschäftigt. Was bedeuten wir nach 15 Jahren? Gibt es da ein neueres, besseres Model am Bühnenrand, das uns überflüssig machen wird?“
Die eigene Existenzberechtigung zur Debatte stellen, mehr Understatement geht wohl nicht. Allerdings ein alter Hut (höre dazu „Kill your Idols“, wahlweise von Sonic Youth oder Philip Boa and the Vodooclub). Doch sollen andere das Marketing beurteilen, wir hören die Musik. Elektronisches, gepaart mit akustischem Schlagzeug finde ich grundsätzlich erstmal gut. Alben im Studio live einspielen auch. Tanzbare, gerade Grooves, 120 unaufgeregte Beats per Minute – Check. Luftige Instrumentierung, Streicher aus der Dose, angenehme Klanglandschaften, durch die ich lockeren Schrittes hindurch tänzele, in meinen neuen Sneakers von ___________ (Enter hippen Markennamen). Soweit alles fein.
Wie Ahoi-Brause prickelt der Opener „Huarache Lights“ (dringende ipod Empfehlung für den lässigen Schritt). Toll gespieltes Schlagzeug, interessante unübliche Harmonien und ein treibender synthetischer Bass machen mich neugierig auf das, was da noch kommen mag. Tatsächlich beginnt „Love is the Future“ ähnlich stark, und so sehr ich auch hoffe, dass Sänger Alexis Taylor mit der titelgebenden Zeile recht behält, meine Liebe zu diesem Song endet abrupt mit Einsatz des Rap-Parts. „Dark Night“ gefällt mit dezenten Ebow-Gitarren und House Beat, „White Wine And Fried Chicken„ und „So much further to Go“ behaupten sich durch eine gewisse Prefab Sprout Referenz im Gesang, ohne die Klasse des ollen Paddy McAloon auch nur in der Ferne am Horizont erahnen zu können.
Wahrhaft bedauerlich ist die das Album durchziehende Abwesenheit von ohrwurmtauglichen Melodien sowie eine unüberhörbare Statik in der Instrumentierung. Alles klickert und klackert in der Zerrissenheit gerader Blöcke ohne ein verbindendes, umspannendes Element. Lego, das Album. Vor meinen Augen laufen sie ab, die bunt gefärbten Sequenzen von Logic Pro, Qubase oder anderer Recording Software. Die zu nutzen stelle ich selbstverständlich nicht zur Debatte, aber die Assoziation während des Hörens ist eine ungünstige. Meine Maßstäbe für elektronische Klänge in Vollendung, das sind Alben von Depeche Mode, Kraftwerk, The Notwist, gern auch Blood Orange oder Nicholas Krgovich, wenn es etwas frischer sein soll. „Why Make Sense?“ klingt gut, aber neben den Großen des Genres wie mit der Garage Band App gemacht. Und natürlich orientieren wir uns nach oben, nie nach unten.
„Verschwende Dich nicht“, sagte meine unsichtbare Freundin N kürzlich sinngemäß in einem völlig anderen Kontext zu mir. Trotzdem hat sie auch hier recht und die Frage, die Hot Chip sich bezüglich ihrer Berechtigung stellen, ist für mich beantwortet. Ich werde nicht noch mehr Zeit mit „Why Make Sense“ verbringen. Und die Hornbrille bleibt morgen auch zuhause!
Video: Hot Chip – „Need You Now“